Ein „Mäuschen“
schreibt Autogeschichte

- Manfred E. Friedrich -

 

Der Volksmund liebt es offensichtlich, seinen Autolieblingen Kosenamen aus dem Tierreich zu geben. Auch die Italiener haben dieses Faible. Schon vor dem deutschen Käfer und der französischen Ente entwickelte Dante Giacosa, ein achtundzwanzigjähriger Ingenieur und Konstrukteur von Spezial- und Militärfahrzeugen, auf Wunsch des Fiat-Chefs Agnelli „ein kleines wirtschaftliches“ Auto, das Projekt „Zero A“. Im Februar 1934 wird der erste Prototyp getestet und für gut befunden. Die Fabbrica Italiana Automobili Torino errichtet eigens für das ehrgeizige neue Projekt in Lingotto ein fünfgeschossiges Fabrikgebäude. Mit einer dem Winzling angepassten Teststrecke auf dem Dach...

Olympiajahr 1936, in Deutschland hat der Opel Olympia Premiere. Und in Italien wird das kleinste Auto der Welt präsentiert - das inzwischen zur Serienreife entwickelte Projekt „Zero A“, jetzt aber offiziell wegen seines Hubraums schlicht Fiat „500“ genannt. Zu banal, für das italienische Autofahrervolk. Ob das Argument, die Frontpartie habe Walt Disneys Mickey Maus ähnlich gesehen, der tatsächliche Grund war, soll dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall heißt der Zwerg „Topolino“, was wiederum nichts Anderes bedeutet als Mäuschen. Wobei damals noch niemand ahnen kann, dass Fiat den Grundstein für eine lange Tradition von Kleinwagen bis auf den heutigen Tag gelegt hat.

Der kleine Italiener nimmt bescheidene 3,21 Meter an Verkehrsraum in Anspruch. Die 13 PS, die der vorn eingebaute Reihen-Vierzylinder aus 569 ccm Hubraum bei 4000 Umdrehungen der Kurbelwelle holt, haben mit dem Leichtgewicht von 535 Kilogramm keine Schwerarbeit zu leisten und erreichen die beachtliche Höchstgeschwindigkeit von fast 90 km/h. Bescheiden im Verbrauch ist er auch und gibt sich mit weniger als sechs Litern Kraftstoff zufrieden. Auf den ursprünglich geplanten Frontantrieb wird letztlich ebenso verzichtet wie auf den Einsatz eines Boxermotors. Von den vier Gängen sind nur der dritte und vierte synchronisiert, in den unteren Gängen muss der Fahrer noch mit Zwischengas arbeiten.

Der erste Fiat 500 wartet mit fortschrittlicher Fahrwerktechnik auf und hat vorn Einzelradaufhängung. Dadurch kann das kompakte seitengesteuerte Triebwerk so weit vorn montiert werden, dass die vier Sitze genau zwischen die beiden Achsen passen. Damit stehen den Passagieren sage und schreibe 80 (!) Prozent des Innenraums zur Verfügung.

Autos sind damals auch in Bella Italia ein Luxusartikel. Knapp 200.000 Autofahrer sind 1936 registriert, als das „Mäuschen“ antritt, auch die „kleinen Leute“ zu mobilisieren, die sich eine Ausgabe von 8.900 Lire leisten können und dafür ein richtiges Auto bekommen: kompakt, praktisch und sparsam. Italien hat seinen Volkswagen, lange bevor es in Deutschland den VW Käfer gibt! In Frankreich arbeitet Citroen zu dieser Zeit ebenfalls an einem Kleinwagen, dem 2CV, stoppt die Entwicklung jedoch wegen des Kriegsbeginns. Fiat lässt die Bänder aber nicht still stehen und produziert bis 1948 noch mehr als insgesamt 120.000 „Topolino“

Im gleichen Jahr 1948, in dem dann die französische „Ente“ in die automobile Welt watschelt, kommt vom italienischen „Mäuschen“ schon die zweite Generation aus dem Nest, der „500 B“. Unter der praktisch unveränderten Karosserie werkelt jetzt ein neuer, 3 PS stärkerer Motor. Dem 500 B folgt 1949 der 500 C. Als dessen Produktion 1955 eingestellt wird, kann er auf die imposante Zahl von 376 000 Nachkommen zurück blicken.

Dante Giacosa, der „Vater“ des Italo-Zwergs, denkt nicht daran, den Topolino, seine Schöpfung, „mucksmäuschenstill“ aus der Autowelt verschwinden zu lassen. Er entwickelt weiter – und präsentiert im Sommer 1957 den „Nuova 500“, dem, um es kurz zu machen, noch die Modell-Versionen D, F und R folgen. Zwar steht das R für „Rinovata“ (erneuert), de facto aber beginnt damit das Ende. Im Sommer 1975 endet die Ära der Fiats mit der fast schon magisch gewordenen Zahl 500, die mehr als 3,7 Millionen mal „vergeben“ und in Italien zum Symbol der Volksmotorisierung wurde.

Siebzehn Jahre später erlebt der Klassiker seine Wiedergeburt. Es ist wieder ein 500, aber nicht mehr als nüchterne Zahl, sondern „Cinquecento“, was ja auch viel italienischer klingt. Der Name des Mannes, der mit der Legende des 500 Fiat-Geschichte geschrieben hat, bleibt mit der italienischen Marke auf immer verbunden. Chefkonstrukteur Dottore Ingenere Dante Giacosa starb im März 1996 im Alter von 91 Jahren. Wenige Monate vor dem 60-Jahre-Jubiläum „seines“ Fiat 500.






Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch ©EPS-Schäffler / Schäffler / Friedrich

Text: © Ermasch - Presse - Service, Schäffler, Manfred E. Friedrich
Fotos: © EPS-Schäffler, Fiat
Quelle: Manfred E. Friedrich, Fiat

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