Schlechter Witz des Satans Ein automobiler Blick zurück in die "Gartenlaube" anno 1906 |
|
"Das junge Gebilde ist noch stark in den Flegeljahren, und es hat sich durch
allerhand unliebsame Streiche das Wohlwollen mancher braven Menschen
verscherzt. Es staubt, es stinkt, es fährt Hühner und Hunde und – wir müssen
es leider zugeben – auch Menschen tot."
Es dürfte wohl nicht schwer zu erraten sein, was mit dem "jungen Gebilde" gemeint ist. Nachzulesen ist dieses Zitat in der "Gartenlaube" von 1906, der seinerzeit beliebtesten deutschen Familienzeitschrift. Was der Autor L. Wick ansonsten ausführlich beschreibt, ist ein lebendiges Zeitgemälde von der Einschätzung des gerade zwanzig Jahre jungen Automobils. So sieht der Autor eine Entwicklung voraus, die von der Wirklichkeit noch weit übertroffen werden sollte: "Wir werden uns mit dem Automobil abfinden müssen. Denn nun, da es da ist, bleibt es auch und breitet sich mit einer fast kaninchenhaften Fruchtbarkeit aus." Na ja, da hat er sich geirrt, der Herr Wick. Mit der Fruchtbarkeit der Automobilproduktion im Laufe der seit damals vergangenen 101 Jahre dürfte wohl selbst das fruchtbarste Kaninchen nicht mithalten können. In einem Punkt aber beweist der Verfasser Weitblick, als er das seiner Meinung nach "in vielen Augen als Teufelsding und schlechter Witz des Satans" betrachtete und verachtete Automobil bereits in Verbindung mit dem Umweltschutz bringt. Aus diesen Sätzen deutlich herauszulesen: "Die unliebsame Eigenschaft des Autos, dass es auf seiner Spur einen recht wenig angenehmen Geruch zurücklässt, ist eine Untugend. Mit wachsenden Jahren wird das Auto auch diesen Fehler ablegen. Das ist möglich." Es war möglich. Und wie! Wer zum Beispiel hätte anno 1906 etwas mit Begriffen wie schadstoffarm, Katalysator oder Rußpartikelfilter anzufangen gewusst? Und schließlich wird mit viel Engagement das Thema Verkehrssicherheit angepackt, wobei zugleich ein illustres Zeitbild gezeichnet wird. "An sich ist das Auto weniger gefährlich als der Pferdewagen. Sehr einfach, weil der Wagen, eben das Automobil, erheblich lenksamer ist und nur von einem Willen, dem des Führers gelenkt wird, der Pferdewagen aber mindestens von zweien, denn auch der Gaul hat seinen Willen. Das Auto ist der Statistik nach weniger gefährlich als der Pferdewagen, und in dieser Hinsicht noch sehr viel weniger, wenn man die gefahrenen Strecken mit der Unfallzahl vergleicht." Zur Erinnerung: Geschrieben und gedruckt 1906... Und noch einmal der augenscheinlich unvermeidbare Vergleich von Pferd und Auto: "So ganz ist es aber auch mit dem Pferd noch nicht vorbei, und das zeigt sich sofort, wenn ein Wagen vom gebahnten Gelände abweicht und über unglattes und unfestes Gelände wie Acker und Wiese fahren muss. Da wird dem Automobil schlecht, der Pferdewagen aber, obwohl auch er in schwierigem Gelände nicht froh ist, überwältigt es doch." Was Allradantrieb ist, konnte damals noch niemand ahnen. Sogar zum Automobilsport finden sich in dem Jahr, in dem in Frankreich erstmals ein Grand Prix gefahren wurde, einige bemerkenswerte Gedanken: "Man will in ihm nichts anderes erblicken als einen halsbrecherischen Sport der reichen Leute, ein protzenhaftes Vergnügen. In Wahrheit bedeuten die Rennen etwas ganz anderes. Wären keine Rennen und Preisfahrten, so fehlte der Technik der kräftigste Ansporn für Verbesserung der Konstruktionen, und ganz sicher hätte die Autotechnik sich nicht so überraschend schnell entwickelt, wenn nicht die großen Rennen veranstaltet worden wären." Dem lässt sich nur beipflichten. Auch heute noch. Zum Schluss nimmt der Autojournalist der Jahres 2007 mit Erstaunen zur Kenntnis, was der Kollege damals als Fazit zieht: "Wenn sich in der Meinung des Publikums die Ansicht festgesetzt hat, das Auto sei gefährlich, so beruht dies zu einem großen Teil darauf, dass über jeden Automobilunfall in der ganzen Welt von allen Blättern getreulich berichtet wird, und zwar in übertreibender Form. Wollte man es ähnlich mit allen Pferdewagenunfällen machen, so müssten die Zeitungen alle ihre Spalten mit diesen Schreckensberichten füllen." Da bleibt nur die Erkenntnis: Ein Glück, dass es kaum noch Pferdefuhrwerke auf unseren Straßen gibt. Die automobilen Unfälle reichen auch so schon. Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch EPS-Schäffler / Körner / M. v. BünauText: © Ermasch - Presse - Service, Schäffler / Manfred E. Friedrich |