Im Zeichen der Libelle

von gerd

Im Zeichen der Libelle

Im Leben von Dr. Joe Darrow (Kevin Costner), dem abgebrühten Chef der Notaufnahme des Chicago Memorial Hospital, gibt es keinen Platz für sentimentale oder gar esoterische Anwandlungen. Die tagtägliche Konfrontation mit dem Tod bewahrt ihn dennoch nicht vor dem Fall in die Depression, als seine geliebte Frau Emily (Susanna Thompson) bei einem humanitären Einsatz in Venezuela ums Leben kommt. Für Joe ein herber Verlust, der sein Leben komplett auf den Kopf stellt. Mysteriöse Begebenheiten lassen den vormals rational denkenden Mann zunehmend am eigenen Verstand zweifeln. Der innere Abschied von Emily gelingt dem verbitterten Mediziner um so weniger, als sich in seinem Umfeld die Anzeichen häufen, dass die Vermisste versucht, via geheimnisvoller Zeichen und verschlungener Symbole mit ihm in Kontakt zu treten. Obwohl alle logischen Indizien dagegen sprechen, glaubt Joe immer stärker, dass Emily noch lebt. Um den übernatürlichen Ereignissen endgültig auf den Grund zu gehen, beschließt Joe, seiner Frau an ihren angeblichen Todesort zu folgen.

Die Geschichte von "Im Zeichen der Libelle" entfaltet sich an drei Locations: dem Zuhause von Joe und Emily, dem Krankenhaus, in dem sie arbeiten, und im venezolanischen Dschungel, in dem Emily stirbt und Joe nach Antworten sucht. Die Filmemacher wollten, dass das Haus der Darrows sowohl ihre glücklichen Zeiten als Paar als auch Joes zunehmende Desorientierung nach Emilys Tod reflektiert. Hier kann Joe die Tür hinter sich schließen und auch die ein oder andere Träne vergießen. Wenn wir ihn dort allein erleben, wie er mit seinen Dämonen konfrontiert wird, dann verstehen wir, warum er immer wieder dorthin zurückkehrt. Aber hier gibt es zu viele Erinnerungen, und er weiß, dass er weitergehen muss. Gleichzeitig ist das Haus der Ort, in dem er zu vermuten beginnt, dass mehr hinter all den Ereignissen stecken könnte, als man auf den ersten Blick glaubt. Shadyac konnte sich auf seine eigenen Familienbande verlassen, als es darum ging, seiner Vision der Krankenhausszenen zusätzliche Authentizität zu verleihen. Sein Vater hatte seinerzeit Danny Thomas geholfen, das St. Jude's Children's Research Hospital in Memphis aus der Taufe zu heben und fungiert dort gegenwärtig als National Executive Director. Shadyac besuchte St. Jude's während der Vorproduktion und schickte später Mitglieder des Cast in das Krankenhaus, um dort einige der jungen Patienten und ihre Eltern kennen zu lernen. Er wollte, dass "Im Zeichen der Libelle" ihre Erlebnisse ganz genau widerspiegelte, und ließ sogar das Krankenhaus im Film peinlichst genau dem Vorbild von St. Jude's nachempfinden.

Die letzten Szenen des Films spielen in Venezuela, wo Emily ihr Leben verloren hat, als sie bei den Yanomanis arbeitete - einer der letzten Stämme auf der Welt, die völlig von der modernen Zivilisation abgeschnitten sind. Shadyac erinnert sich noch genau an die erste - und sehr pragmatische - Reaktion des ausführenden Produzenten Brubaker (ein mit allen Wassern gewaschener Profi, der bereits an mehr als 50 Filmen gearbeitet hat) auf diesen Abschnitt des Drehbuchs: "Jim sagte: Oh mein Gott, wir müssen die Besetzung, die Crew und die gesamte Ausrüstung in den Amazonas-Dschungel schleppen?!" Die Filmemacher dachten darüber nach. Und dann dachten sie noch einmal darüber nach. "Es ist doch so, dass man alles machen kann", meint Shadyac. "Man kann die Leute rein- und rausfliegen, man kann es auf die Reihe kriegen. Aber mit all den Gesundheitsrisiken und anderen möglichen Gefahren entschieden wir, dass nicht wir zum Amazonas-Dschungel kommen würden, sondern der Amazonas-Dschungel zu uns."

Die Filmemacher errichteten das Dorf Yanomani in einer verlassenen Gegend der hawaiianischen Insel Kauai. Der Veteran Brubaker sagt, dass es der vermutlich schwerste Dreh seines Lebens war. Neben der genauen Nachstellung der Lebensart des Stammes war es eine der größten Herausforderungen, 100 venezolanische Statisten an den Drehort zu bringen. Die echten Yanomani nahmen nicht am Dreh teil; ihre Regierung erlaubt Fremden nicht einmal den Zugang zu ihrer Region. An ihrer Stelle flog man Stammesmitglieder der Piaroa, Savlias, Piapoco und Guajibo ein, die den Yanomani äusserlich stark ähneln. Um die Venezolaner nach Hawaii zu bringen, mussten die Filmemacher viele Vorkehrungen treffen. Man engagierte venezolanische Ärzte und Köche, stellte mehrere Dolmetscher ein, um den vier verschiedenen Dialekten, die von den Indianern am Set gesprochen wurden, gewachsen zu sein, und kaufte den Statisten Regenzeug, Kleidung und Schuhe für den Dreh vor Ort. Nur die wenigsten der Venezolaner hatten in ihrem Leben in einem Flugzeug gesessen oder in einem Hotel übernachtet. Also verschaffte ihnen die Produktion eine Erfahrung, die nicht von dieser Welt ist. Bis Joe endlich aufbricht, sind schon mehr als zwei Drittel des Films verstrichen und der Betrachter ist vor Ermüdung immer tiefer in seinen Sitz gerutscht. Viel zu lange braucht der gute Doktor, um endlich eine Entscheidung zu treffen. Somit macht den Film vornehmlich eines aus: Warten. Und das ist bekanntlich gleich Langeweile. Natürlich will "Im Zeichen der Libelle" Spannung einerseits dadurch aufbauen, dass er Erwartungen auf eben jene Lösung des Rätsels schürt und zum anderen den Protagonisten auf dem Weg dorthin in allerhand prickelnde Situationen geraten läßt. Doch einmal mehr sei auf die Filmtheorie Hitchcocks verwiesen, der bereits treffend beschrieb, wie unsinnig es ist, den Zuschauer unnötig lange schmoren zu lassen, bis sich Spannung in Gleichgültigkeit verwandelt hat. Alle Szenen, die auf triviale, handwerkliche Weise Spannung transportieren sollen, heben sich in keiner Weise von vergleichbaren und noch frischen Werken wie "The Six Senth" oder "The Others" ab.

Costners Darstellung in "Im Zeichen der Libelle" lässt jedoch vermuten, dass der große Abenteurer der neunziger Jahre eigentlich überhaupt keine Lust mehr hat Filme zu drehen, so emotionslos und träge schleppt er sich durch die Geschichte. Bei einem Film, in dem der Hauptdarsteller in nahezu jeder Szene zu sehen ist, steht er auch in der Verantwortung diesen zu tragen. Der Zuschauer findet aber überhaupt keinen Zugang zu seiner Figur, von persönlicher Bindung oder Anteilnahme ganz zu schweigen. Und leider bekommt auch niemand anders genügend Leinwandzeit um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Kevin Costner sollte sich ernsthaft überlegen, ob er sich und seinem Publikum mit dieser Art Filmen wirklich einen Gefallen tut.

Soundtrack: John Debney, Colosseum.



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Fotos: Buena Vista International, Marcel Schäffler.
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