458 Jahre Augsburger Religionsfrieden in 2013 Ein Ereignis von globalem Charakter |
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In Erinnerung an jenen denkwürdigen Tag - es war der 25. September 1555 - begeht die Stadt Augsburg in jedem Jahr mit einem bundesweit einzigen Feiertag den Tag des Augsburger Hohen Friedensfestes. In einer großen Ausstellung mit zahlreichen Leihgaben aus dem In- und Ausland, wurde ganzjährig mit einem Festprogramm dieses herausragende deutsche Verfassungsdenkmal gewürdigt. Im Jahre 2013 jährte sich dieses Gedenken zum 458.
Mal und was damals mehr als "regionale" Vereinbarung zwischen Kaiser und Reichsständen seinen Anfang nahm, hat sich inzwischen zu einer globalen Glaubensrichtung entwickelt, der rund eine halbe Milliarde Menschen angehören. Doch wie kam es zu jenem Tag im September - warum wurde in der freien Reichsstadt Augsburg der sogenannte "Religionsfrieden" geschlossen, gab es doch im deutschen Reich bislang nur eine gültige Konfession - nämlich die römisch-katholische. Historie
Können Sie sich vorstellen, dass ein einzelner Mensch in der Lage ist den Lauf der Geschichte nachhaltig zu bestimmen? Halten Sie es für möglich, dass ein einzelner Mensch die Kraft hat eine seit Jahrhunderten bestehende, fest verankerte Kirche in Frage zu stellen und diese an den Rand ihrer Existenz führt? Nun – heute können wir diese Fragen getrost mit ja beantworten, denn die Geschichte hat uns eindrucksvoll bewiesen, dass so etwas möglich ist. Denken Sie dabei nur an Mahatma Gandhi und eben – an Martin Luther. Die Vorgeschichte zu den vorab erwähnten Ereignissen liest sich in der Tat wie ein Historienkrimi, und dem Helden der Geschichte waren die Häscher mehr als einmal dicht auf den Fersen. Es geschah im Jahre 1505. Da entschied sich ein junger Mann mit Namen Martin Luther gegen den Wunsch des Vaters Jurist zu werden für den Eintritt in den Augustiner-Eremitenorden zu Erfurt. Sieben Jahre später begann er seine Lehrtätigkeit als Doktor der Theologie in Wittenberg. Luther setzte sich intensiv mit der christlichen Lehre, dem Alten und Neuen Testament auseinander und sah nur in den wahrhaftigen Worten Christi und Gottes die einzige Möglichkeit zu Gott zu finden. Er prangerte die Verweltlichung der römisch-katholischen Kirche an, welche die Menschen in Unkenntnis, in Analphabetismus und mit Angst vor dem Jüngsten Gericht in Fesseln hielt. Die heiligen Messen wurden bis dato ausschließlich in Latein gelesen - mithin hatte das ungebildete Volk keinerlei Möglichkeit die Zusammenhänge zu verstehen, geschweige denn nachzuvollziehen. Luther geißelte das unmoralische Leben der Päpste und ihrer Würdenträger in Rom, er verdammte die Sittenlosigkeit am Heiligen Stuhl, und er rebellierte offen gegen den Ablasshandel des Papstes, vertreten durch seinen Geldeintreiber Tetzel. Luther scharte Gleichgesinnte um sich und sein Treiben erregte nicht nur die Aufmerksamkeit der Landesfürsten, sondern auch die des Papstes in Rom. Luther verlangte nach einer Reformation, nach einer Erneuerung der römisch-katholischen Kirche. Ihm ging es nicht um die Installation einer neuen Glaubensrichtung, sondern lediglich um eine offene, dem Menschen zugetane Kirche, welche die Gläubigen mit Rat und Tat betreut, nicht jedoch mit bösartigen Drohungen und perversen Ablasshändeln zu verängstigten und an Gott zweifelnden Wesen macht. Anschlag zu Wittenberg
Dann war es soweit: Luther schlug am 31.10.1517 an die Kirche zu Wittenberg seine 95 Thesen auf und verkündete den Menschen seine Vorstellungen von einer "Menschengerechten Kirche". Die Hammerschläge hallten nach und lösten ein Echo aus, das die Grundfesten des Reiches erschütterte und Jahrzehnte später in einen Krieg führten, der als der Dreißigjährige Krieg eine traurige Berühmtheit erlangte und in Europa mehr als 25 Millionen Menschen das Leben kostete. Doch zurück zu Wittenberg. Luthers Thesen sorgten zunächst für reichlich Unruhe, Diskussionsstoff und offene Auseinandersetzungen. 1519 weigerte sich Luther auf der Leipziger Disputation zwischen J. Eck und A. Karlstadt den Primat des Papstes und die Unfehlbarkeit der allgemeinen Konzilien anzuerkennen - er lehnte beides rundweg ab. Das konnte sich der Papst nicht gefallen lassen - ein kleiner Augustinermönch stellt öffentlich den römischen Pontifex und die Kirche in Frage - ein Affront und eine Kriegserklärung zugleich. Flucht nach Eisenach
Es folgte was kommen musste - die päpstliche Bannandrohungsbulle. Luther ließ sich in seinen Gefühlen und Gedanken nicht beirren und konterte selbstbewusst im Jahre 1520 mit den drei großen Programmschriften "An den christlichen Adel deut-scher Nation von des christlichen Standes Besserung" "Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" "Von der Freiheit eines Christenmenschen". Am 3.1.1521 wurde Martin Luther vom Papst exkommuniziert - aus der Glaubens-gemeinschaft der römisch-katholischen Kirche ausgestoßen. Luther war von diesem Augenblick kein Mensch und Mitglied des deutschen Reiches mehr, sondern ein vogelfreier Staatsfeind, der durch jedermann bei Ergreifen getötet werden durf-te. Dies wurde durch die Reichsacht bekräftigt, die Kaiser Karl V. über Luther ver-hängen ließ. Gottlob gab es weitsichtige und besonnene Reichsfürsten, welche die Tragweite der Lutherschen Thesen und seiner Forderungen erkannten und sich für ihn einsetzten. So Friedrich der Weise von Sachsen, der Martin Luther kurzerhand entführen und auf die Wartburg nach Eisenach bringen ließ. Luther lebte hier unter dem Namen Junker Jörg und übersetzte das Neue Testament in die deutsche Sprache, dem 1534 das Alte Testament folgte. Sein Meisterstück lieferte Luther zweifellos in der Übersetzung der Heiligen Schrift ins Deutsche. Sie bildete die Grundlage einer allgemeinen deutschen Hochsprache und schenkte dem deutschen Volk damit eine einheitliche Schrift, die von jedermann gelesen und verstanden werden konnte. Luther verstand sich nie als Reformer der Kirche oder des Staates, sondern sah sich als Lehrer und Verkünder der Heiligen Schrift in ihrer ursprünglichen Klarheit, ohne menschliche Zusätze und Deutungen. Sein unbestreitbarer Verdienst liegt jedoch in der Transkription des Neuen und Alten Testamentes und dem Geschenk einer einheitlichen deutschen Sprache an das einfache Volk. Luther hat den Augsburger Religionsfrieden nicht mehr erlebt. Er starb im Jahre 1546. Allerdings hatte Luther seinen großen Auftritt schon Jahre vorher in Worms. Hier bot er Kaiser Karl V. 1521 die Stirn und widerrief seine Thesen und Lehren nicht. Das sogenannte Wormser Edikt ging als Verhängung der Reichsacht über Luther und seine Anhänger in die Geschichte ein. Frieden war möglich
Ja - er war möglich, aber er wurde teuer und mit viel Blut erkauft. Die Lehren Luthers verstanden vor allem die Angehörigen der niederen Schichten falsch. Es folgten Aufruhr, Plünderung, Brandschatzung und Bildersturm. Kirchen und Klöster fielen den marodierenden Bauern und verarmten Tagelöhnern zum Opfer und Hunderte Mönche und Nonnen wurden auf grausame Weise ermordet. Die Antwort der Staatsmacht folgte prompt und vernichtend. All dies trug dazu bei, dass sich der Kaiser (vertreten durch seinen Bruder Ferdinand) und die katholischen sowie protestantischen Reichsstände am 25.September 1555 in Augsburg einfanden, um das Gesetz der Religionsfreiheit zu beschließen. Damit wurde ein Gesetz in Kraft gesetzt, das die evangelisch-lutherische Glaubenslehre anerkannte was dazu führte, dass es im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erstmals zwei verschiedene Glaubensrichtungen gab. Dies war eine Revolution des Geistes und der Worte gegen eine Welt des Starrsinns und der Verkrustungen, die sich letztlich den Thesen und Lehren Luthers geschlagen geben musste. Der Augsburger Religionsfrieden war jedoch nicht einfach nur die Erlaubnis einer zweiten Religionslehre anzugehören, die Betreffenden Personen konnten darüber sogar entscheiden in welchem Land mit welcher Religion sie leben wollten. Umzug nicht wegen Arbeitssuche sondern wegen der genehmen Religion und kirchlichen Zugehörigkeit. Das waren für die damalige Zeit Änderungen die fast schon märchenhaft und utopisch anmuteten, und doch waren sie wahr. Katholiken und Lutheranern war zudem im öffentlichen Leben ihre Bikonfessionalität durch eine besondere Rechtsgarantie erlaubt. Ungeachtet dessen zeigt der geschichtliche Ablauf jener Zeit die ungeheuren Schwierigkeiten auf, die es auf dem Weg zu einem politisch und religiös toleranten Deutschland und Europa zu überwinden galt. Zwar setzte nach dem Augsburger Religionsfrieden eine Zeit innerer Stabilität im deutschen Reich ein. Aber bald schon mehrte sich unter den nachrückenden Fürstengenerationen die Bereitschaft für die eigene religiöse Überzeugung in den Kampf zu ziehen. Der Kreuzzug der Religionen gegeneinander in Europa warf seine düstere Schatten voraus - die Menschen waren am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges angekommen. Nach Jahrzehnten des Mordens, Plünderns und Zerstörens war Deutschland verwüstet und ausgeblutet. Weite Teile Europas lagen in Schutt und Asche. Mehr als 25 Millionen Menschen fielen diesem fürchterlichen und unsinnigen Gemetzel zum Opfer. Im Jahre 1648 beendete der Westfälische Friede zu Münster einen der schrecklichsten Kriege der Menschheit. Hernach fand man endlich zu einem konstruktiven Miteinander und einer Gleichberechtigung der Religionen zurück. Der Mensch war zum Frieden fähig, das hat er mit Münster bewiesen. Vom Frieden zum Krieg trennt uns nur ein schmaler Grat, nur ein dünner Schleier, der uns die Apokalypse schauen lässt, bevor wir sie endgültig entfachen oder ihr entsagen. Die Ausstellung "Als Frieden möglich war – 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden" war demnach mehr als nur eine Aneinanderreihung oder Anhäufung von reli-giösen und weltlichen Kunstschätzen. Dokumente, Bücher, Schriften, Gemälde, Waffen und anderes mehr präsentierten einen lebendigen Querschnitt durch die religiös-weltliche Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts in Deutschland und Europa, wo sich die Völker nun endgültig daran machten den Rest der ihr unbekannten Welt zu entdecken und zu erobern. Wer sich über die Bedeutung Augsburgs für den Religionsfrieden hinaus weiter für diese Stadt interessiert, der wird von kultur-historischen Hinterlassenschaften geradezu überhäuft. Erinnert sei hier nur an einen der bekanntesten Männer des ausgehenden Mittelalters – an Jakob Fugger. Noch heute trägt ein Stadtteil den Namen des Wohltäters, der für Arme, Tagelöhner, Obdachlose und Kranke eine Heimstatt schuf – die Fuggerei. Der Name Jakob Fug-ger ist auch mit Geld verbunden – mit sehr viel Geld. Nach heutigem Maßstab dürfte er durchaus zu den Top Ten der reichsten Männer der damaligen bekannten Welt gehört haben, was ihm neben gesellschaftlichem auch großen politischen Einfluss verschaffte. Könige und Kaiser ließen bei ihm "anschreiben" und ihre Herrschaft durch Fugger finanzieren. In Augsburg lernen die Menschen auch wie schwer es ist Frieden zu bewahren, wenn er denn endlich errungen wurde. Das galt vor 450 Jahren und hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Eingebettet in eine einzigartige Kulturlandschaft mit einer vieltausendjährigen Geschichte bietet Augsburg dem Besucher eine virtuose Vielfalt kultureller, landschaftlicher, historischer und kulinarischer Erlebnisse und Entdeckungen. Wer sich im nachhinein umfassend über die Ausstellung zum Thema Religionsfrieden informieren will, dem sei der Katalog "Als Frieden möglich war – 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden" aus dem Verlag Schnell & Steiner, Regensburg bestens empfohlen. Information:
Kunstsammlungen und Museen AugsburgPresse und Öffentlichkeitsarbeit Konrad-Adenauer-Allee 37 86150 Augsburg Internet: www.ausgburger-religionsfrieden.de Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch EPS-Schäffler / Körner / K. W.VickText: © Ermasch - Presse - Service, Schäffler / Hans Joachim Rech |