Eine Reise nach Bad Muskau und Park Branitz
Kennen Sie das ? Es gibt Bücher, deren Handlungsschauplätze man unbedingt besuchen möchte. Ein solches Buch ist für mich "Der grüne Fürst" (von Heinz Ohff, Piper Taschenbuch, 8. Auflage 1999). Es ist die Lebensgeschichte des Fürsten Hermann Ludwig Heinrich Graf von Pückler auf Muskau. Er lebte von 1785 bis 1871. Geboren wurde auf dem elterlichen Gut in der Nähe von Cottbus in der Oberlausitz. Von Berlin dorthin sind es heute nicht mehr als zweieinhalb Autostunden.
Natürlich gibt es auch in Cottbus selbst viel zu sehen: die Stadt ist seit der Wende vom Braunkohlenmief befreit, die riesigen Tagebau-Gruben sind zwar weiter in Betrieb, werden aber nach der Ausbeutung renaturiert. Und das einst verrottete Traditions-Kraftwerk "Schwarze Pumpe" wurde nach der Wende neu erbaut, als modernstes Braunkohlekraftwerk Europas. (Besichtigung möglich !). Auch die Spree ist von Cottbus aus leicht zu erreichen. Ich aber war diesmal einzig und allein wegen Fürst Pückler gekommen.
Ja ja, das "Fürst Pückler-Eis", das kennen wir ja alle. Aber diese gelb-rosa-braune Eispackung (Vanille/Erdbeer/Schokolade) zwischen zwei Waffeln hat nicht erfunden, sondern ein Cottbusser Konditor - und sie nach seinem Standesherren benannt. So ähnlich, wie es heute in Cottbus eine Einkaufspassage gibt, die sich Fürst-Pückler Passage nennt.
Was für ein Mann !
Dabei hat Pückler weit Besseres verdient. Denn was war das für ein Mann ! Playboy darf man ihn nicht nennen, dazu war er viel zu gebildet. Eher schon kann man ihn als Dandy von Format bezeichnen, zumindest was seine jungen Jahre anbetrifft. Ein Geniesser aber blieb er sein Leben lang. Er verführte angeblich mehr Frauen als Casanova und verliebte sich als bereits 81-jähriger in ein 22-jähriges Mädchen. Er war Leutnant im sächsischen Gardes du Corps in Dresden, Offizier in preussischen , thüringischen und russischen Diensten, er duellierte sich aus allen möglichen Anlässen, obwohl es verboten war, lebte flott und - fast immer - über seine, bzw. die elterlichen Verhältnisse. Zeitweilig war Pücklers Name in aller Munde: so, als er mit seinem Pferd in Dresden von den Brühlschen Terassen in die Elbe sprang, um den Damen zu imponieren, oder als er mit einem Heissluftballon über Berlin aufstieg, oder - aus dem gleichen Grund - mit einem Gespann gezähmter Hirsche auf der Flaniermeile "Unter den Linden" hin- und herfuhr. In die Geschichte ging er jedoch ein als einer der bedeutendsten deutschen Landschaftsgärtner und Parkgestalter. "Von Kindheit an hatte ich den Plan", so schreibt er selbst in seinen Erinnerungen, "die Gegend um das Schloss zu verschönen; die Ausdehnung wuchs mit dem Fortschritt." Zeitweilig erreichte der Park von Bad Muskau eine Grösse von fast 600 Hektar.
Fast im Gefängnis
Als junger Mann stand Pückler wegen seiner Schulden gelegentlich mit einem Bein im Gefängnis. Als er aus Wien flüchten musste, zog er zu Fuss wie ein Vagabund durch die Schweiz, Frankreich, Österreich und Italien, um etwas zu sehen von der Welt, etwas zu erleben. Seine späteren Berichte über solche Unternehmungen machten ihn zu einem der meistgelesensten Reiseschriftsteller seiner Zeit.
All das sollte man wissen, wenn man Bad Muskau zum ersten Mal besucht. Von Cottbus aus geht die ausgeschilderte Strecke durch flaches Heideland, vorbei an Kiefern und Birkenwäldchen. Am Eingang zu Bad Muskau dann das Ortsschild, auf dem der Name auch in Sorbisch steht: Mesto Muzakow. Sorbisch ist die Zweitsprache der Region.
Im April 1945 fanden in der Stadt die letzten Kampfhandlungen vor der Schlacht um Berlin statt. Bad Muskau wurde zu 70 Prozent zerstört. Die Hauptkampflinie lief mitten durch den fürstlichen Park, viele Bäume wurden durch Granatsplitter geschädigt. Ein kleiner sowjetischer Soldatenfriedhof am Rand des Parks erinnert an die Kämpfe. Er wird ordentlich gepflegt, Schmierereien sind nicht zu sehen.
Seit jenen Tagen läuft auch die deutsch-polnische Grenze durch Bad Muskau und den Park. Aber beide Seiten bemühen sich seit einigen Jahren gemeinsam darum, ihm sein einstiges Aussehen wieder zu geben. Vom Parkgelände am Postplatz unweit des Grenzübergangs in der Stadt gelange ich zum so genannten "alten Schloss"- ein einfacher, weisser Bau, noch zu DDR-Zeiten restauriert. Hier befindet sich ein kleines Museum, betrieben vom Freundeskreis Bad Muskau - denn die letzten ABM-Kräfte wurden Anfang dieses Jahres mangels Finanzmittel entlassen. Jede Besuchermark ist deshalb willkommen. Vor allem der Wiederaufbau des "neuen" Schlosses kostet viel. Unmittelbar nach Kriegsende war es durch Brandstiftung in Flammen aufgegangen. Heute sind Türme und Dächer wieder eingedeckt, zwei Gebäudeflügel wieder eröffnet.
Radfahren auf den Gehwegen ist erlaubt
Was sich dahinter dem Besucher bietet, erinnert ganz entfernt an den Englischen Garten in München - der ja ebenfalls von den Landschaftsgärten der britischen Insel geprägt ist. Nur ist alles hier viel grösser, weitläufiger, geradezu erhaben. Besonders, wenn man weiss: als Pückler 1815 nach seiner ersten Englandreise an die Gestaltung seines Parks ging, da war alles flacher, öder Heideboden. Einige Bäume standen da, es gab einige Alaungruben - und die Neisse. Aber keine Hügel, keine Gewässer, keine Landschafts-Harmonie !
Pückler- er ist noch Graf und gerade 30 Jahre alt - lässt Zehntausende von Kubikmetern Erde umsetzen und düngen, Abbaugruben in Täler und Schluchten verwandeln, Hänge und Hügel auftürmen. Er legt kleine Seen und Bäche an, reisst im Dorf eine Strasse samt Gebäuden ab um sie an anderer Stelle neu zu errichten, und leitet sogar die Neisse um in in ein neues Flussbett. Deswegen liegt Bad Muskaus Bahnhof heute in Polen und nicht diesseits des Grenzflusses.
Immer wieder kauft Pückler den Bauern der Umgebung Land ab, zunächst 2000 Morgen, um sein eigenes Parkgelände zu vergrössern. Und überall in der Oberlausitz erwirbt er 20 bis 30-jährige Bäume, die er mit eigens dafür gebauten Pflanzwagen herbeischaffen und einpflanzen lässt. Wie ihm gelang, dass sie "Fuss fassten", ist Gartenspezialisten auch heute noch ein Rätsel.
Zu dem heute polnischen Teil des Pücklerschen Parks führen einige der alten Brücken über die Neisse. Sie werden gerade restauriert. Auch der auf polnischer Seite in der Nachkriegszeit stark verwilderte Teil des Parks mit dem "Pücklerstein" und der neuen, alten "Hermanns-Eiche" soll wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden. Eines Tages wird Besuchern das gesamte Gelände offen stehen. Aber es ist auch so schon riesig. Die verschiedenen Wege, die Pückler anlegte, sind viele Kilometer lang - die Rundstrecke Schlosspark-Badepark allein misst sieben Kilometer. Zum Glück ist Radfahren überall erlaubt, und Bänke laden zum Ausruhen und Geniessen ein.
Geld kann man heiraten
Natürlich war das Geld aus dem väterlichen Erbe eines Tages alle. Was tun ? Eine Geldheirat war notwendig. Pückler ehelicht 1817 die neun Jahre ältere Lucie, geschiedene Reichsgräfin von Pappenheim. Es war nicht Liebe und Sexualität, die beide verband, sondern in erster Linie tiefe Zuneigung. Er nennt seine Frau zärtlich "Schnucke". Den Sex holte er sich mit ihrem Wissen woanders - auf seinen vielen Reisen, die ihn teilweise über Monate oder gar Jahre von Muskau fortführten.
Im Jahr 1823 - Pückler ist inzwischen der Fürstentitel verliehen worden - richtet er auf seinem Parkgelände das Bad Muskau ein. Drei Jahre später ist wieder mal das Letzte Geld im Park verbuddelt. Da finden der Fürst und seine "Schnucke" die Ideallösung: eine Pro-forma-Scheidung. Damit ist Pückler frei, um sich eine neue, vermögende Frau zu suchen. Es soll eine Engländerin sein.
Über zwei Jahre verbringt der Fürst in London, verkehrt in den besten Kreisen der Highsociety, erkundet englische Landschaftsgärten und britische Ladys. Aber vergeblich. Willig sind zwar viele, aber heiraten will ihn keine. Alle seine Eindrücke des Lebens in England notiert Pückler sorgfältig in Briefen an seine Frau. Und die hat die glorreiche Idee, diese amüsanten Schilderungen veröffentlichen zu lassen. Schon der erste Band dieser "Briefe eines Verstorbenen" wird ein Bestseller. Goethe nennt "die Briefe" in einer Besprechung "ein für Deutschlands Literatur bedeutendes Werk". Drei weitere Bände folgen, aber auch Bücher über Landschaftsgärtnerei. Das Geld, das hereinkommt, wird wiederum im Park vergraben.
Eine Sklavin auf Muskau
1834 startet Pückler - abermals ohne "Schnucke", die in Muskau weiterhin die Geschäfte führt - zu einer Reise durch Nordafrika. Diesmal bleibt er gar sechs Jahre fort. Auf einem Sklavenmarkt kauft er ein ein 12-jähriges Mädchen, angeblich ist sie eine äthiopische Prinzessin. Er nennt sie "Machbuba" und sie wird ihm Tochter, Freundin und Geliebte. Als er sie mit nach Muskau bringt, ist "Schnucke" darüber nicht sehr erfreut - willigt aber schliesslich ein. Doch Machbuba ist bereits todkrank, das Klima bekommt ihr nicht. Sie stirbt etwa 15-jährig an einem Lungenleiden.
Über ihren Tod tröstet sich Pückler hinweg, indem er an seinem Park erneut Erweiterungsarbeiten durchführen lässt. Unter anderem erfolgt die Errichtung der (heute ebenfalls wieder in Betrieb befindlichen) Orangerie.
Auf der kleinen Gartenterasse des Cafés im "alten Schloss" kann man vorzüglich essen - ich genoss ein Wildschweingoulasch mit böhmischen Knödeln. Dann, auf der Rückfahrt nach Cottbus, halte ich auf dem winzigen Parkplatz hinter den beiden Kirchen zur rechten Hand. Dazwischen liegt der historische Friedhof, und dort stehe ich plötzlich vor einem rührend kleinen Zementhügelchen, nicht grösser als ein Kindergrab. Darin ist eine kleine, schwarze Marmortafel eingelassen. Auf der steht in goldenen Lettern nur der Name "Machbuba". Weil ich das Buch über den "Grünen Fürst" gelesen habe ist mir, als stünde ich vor dem Grab eines lieb gewonnenen und vertraut gewordenen Menschen. Für alle anderen Besucher ist neben der letzten Ruhestätte der Afrikanerin ein kleines Schild mit folgender Erläuterung angebracht: "Am 27. Oktober mittags gegen 12 Uhr starb auf dem hiesigen fürstl. Schloss eine Abyssinische Jungfrau, namens Machbuba, welche der Fürst Hermann von Pückler-Muskau von seinen Reisen in den Orient und Namentlich Egypten mitgebracht hatte".
1845 muss Pückler seinen geliebten Stammsitz samt Park verkaufen. Für 1,7 Millionen Taler geht er an den Grafen August von Nostiz. Der Erlös dient Pückler nicht nur zur Zahlung von Schulden und weiterer Reisen, denn da ist ja noch das bescheidene Gut Branitz aus väterlichem Besitz. Auch daraus nacht der Fürst einen Traumpark, Höhepunkt und zugleich Ende in der Entwicklung des Deutschen Landschaftsgartens. Der Weg von Cottbus ist ausgeschildert. Ich fahre jedoch - aus chronologischen Gründen - auf dem Rückweg von Muskau dorthin. Denn Branitz wurde ja zum zweiten, festen Wohnsitz des Fürsten, und dort ist er auch gestorben und begraben. 100 Hektar Fläche umfasst der Park, er ist also viel kleiner als Muskau, bescheidener - aber vielleicht gerade deshalb auch lieblicher. Wunderschön das spätbarocke Schloss aus dem Jahr 1772 mit seiner Blumenpracht. In Pücklers Auftrag wurde es in den Jahren 1847 bis 1850 umgebaut. Man sieht der Anlage heute zum Glück nicht mehr an, dass sie zu Zeiten des glorreichen Sozialismus zum "Neubauerngrundstück" deklassiert wurde. In den Ausstellungsräumen im ersten Stock sind viele persönlichen Hinterlassenschaften Pücklers zu sehen: seine Bibliothek, seine Reisebeschreibungen, seine Liebesbriefe, seine Gebrauchsgegenstände und Souvenirs aus fernen Ländern, Gemälde, das orientalische Zimmer. Und wieder wird das Buch "Der Grüne Fürst" lebendig für den, der es gelesen hat. Durch eines der Fenster geht der Blick auf den Garten und die vergoldete Büste der berühmten Sängerin Henriette Sontag - eine der Frauen, die Pückler liebte wie wenig andere.
Auch hier im Park Branitz sind Fahrräder gestattet. In einem Teil des Parks liegen die Familiengräber derer von Pückler-Muskau. Gedenksteinen erinnern an jene, die im Zweiten Weltkrieg in der Fremde fielen. Fürst Pückler selbst ist im äussersten Ende des Parks beerdigt. Und, wie es sich für ihn gehört, in einer Ruhestätte ganz eigener Art: dem Tumulus. Es ist eine grosse, aus Erde aufgehäufte Pyramide in einem kleinen See. Selbst im Tod blieb Pückler einmalig: er befahl, seinen Leichnam in Säure aufzulösen - was auch geschah. 1884 wurden auch die sterblichen Überreste seiner 1854 verstorbenen "Schnucke" im Tumulus beigesetzt.
Das Waldhotel
Gewohnt habe ich bei meinem Besuch - und es wird nicht der Letzte sein - im Waldhotel am nördlichenm Stadtrand von Cottbus: ruhig, bequem, und günstig gelegen zu Branitz und Bad Muskau. Schon mehrere Jahre hindurch wurde es für seine Qualitäten vom Schlummer und Schlemmer-Atlas ausgezeichnet. Olaf Schöpe, ortsansässiger gelernter Koch, erwarb das Haus nach der Wende. Seitdem kann er über Gäste in der von ihm modernisierten Anlage nicht klagen. "Wir verstehen uns auch als Sporthotel, verleihen Fahrräder und haben einen eigenen Kurs Rund ums Waldhotel. Für das kommende Jahr", so Schöpe, haben er und seine Mitarbeiter/innen sich "etwas ganz besonderes ausgedacht: ein Pückler-Menü. Der Fürst war ja auch ein grosser Feinschmecker, nicht nur, was die Frauen anbetraf. Und da haben wir im Stadtarchiv Einblick in die Speisekarten mit den Gerichten bekommen, die er auf seinem Schloss servieren liesse. Einige Rezepte haben wir so genau nachgekocht wie es nur geht".
Hier ein Gericht vom 10. Oktober 1857:
Paradiesapfelsuppe mit Sherry-Sahne und frischen Kräutern.
Pochiertes Hechtfilet mit holländischer Sauce, Gurkensalat und Dillkartoffeln.
Haschee von Wild mit Eiern und Salat.
Putenbraten mit Dattelfeigensauce, Rosenkohl und Herzoginkartoffeln, Hammelschlegel in Gurkensauce.
1. Dessert: Sahne- und Aprikoseneis mit Waffelgebäck.
2. Dessert: Eingemachte Früchte mit Gebäck und Naschwerk.
Das Fürst - Pückler - Menü muss 24 Stunden vorher bestellt werden, Mindestteilnehmerzahl sechs Personen.
Also, wann fahren Sie ?
Waldhotel Cottbus
Drachhausener Straße 70, 03044 Cottbus
Tel.: 0355/87 6 40, Fax: 0355/87 64 100
E-Mail: waldhotel-cottbus@spreewald.de
Internet: waldhotel-cottbus.de
Verkehrsverbindungen über Autobahnen Berlin oder Dresden nach Cottbus.
Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch EPS-Schäffler / Körner
Fotos: Cord C. Troebst, Marcel Schäffler, J. Heuer, D. Tornow, Schäma.
Rückfragen bitte an eps-schaeffler(at)gmx.de
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