"O,gzapft is"
Alljährlich dröhnt der Ruf des Münchener Oberbürgermeisters über den Festplatz auf der Theresienwiese. Millionen Besucher in aller Welt haben nur auf diesen Augenblick gewartet, um die Zelt- und Budenstadt für drei Wochen mit ihrer Anwesenheit zu erfreuen. Dann wird das Bier in Strömen fließen, die Brathändl, Weisswürschtl und Steckerlfische zu Zehntausenden verspeist, heftige Räusche ausgeschlafen und manche Blessur in den umliegenden Spitälern verarztet werden.
Begonnen hat alles im Jahre 1810. So lange ist das schon her. Wieder einmal mehr ein Beweis, wie sehr – nicht nur die Bayern, mit Traditionen und völkischen Lustbarkeiten verbunden sind. Der Ludwig war’s , der Erste, der spätere König von Bayern. Mein Gott, waren das noch Zeiten. Jedenfalls hat der adlige Jüngling aus Anlass seiner Hochzeit ein Volksfest auf der Theresienwiese vor den Toren Münchens veranstalten lassen. Damals war die Wiese noch grün und München noch überschaubar. Später wurde dann die Bavaria mit Ruhmeshalle auf selbiger Wiese erbaut, um den Überblick – auch in stürmischen Zeiten – zu bewahren.
Zu Ludwigs Zeiten wurde zünftig gefeiert, gevespert und sicherlich auch das ein oder andere mal gerauft. Hochherrschaftlich fuhr man vor, das gemeine Volk weniger. Dafür war die Verköstigung gratis, wenigstens an diesem Tag. Später haben findige Wirts- und Geschäftsleute daraus eine Dauereinrichtung gemacht. Schließlich hat der Ludwig ja nur einmal Hochzeit gefeiert, aber ihm zu Ehren und als Erinnerung an diesen wunderschönen Tag, wurde dieses Fest kurzum zum Oktoberfest umbenannt, weil gleichzeitig auch die Erntedankzeit in diese Festwochen fiel. Ungemein praktisch und vor allem einträglich. Denn wo es was zu verdienen gibt, da heiligt jeder Zweck ein Fest.
Viel Zeit ist seitdem vergangen, aus dem Hochzeitsfest eines Königs wurde ein Jahrmarkt, aus diesem wurde ein Rummel, bevor dieser letztlich zu einem weltweit bekannten Spektakel mutierte, das in jedem Jahr mehr als sechs Millionen Menschen nach München lockt. Auf Jahre im voraus bucht der harte Kern der Oktoberfestler Hotels und Pensionen, nur um für drei Wochen zwischen September und Oktober der Befriedigung der leiblichen Genüsse zu frönen.
In vierzehn Großzelten – nicht gerechnet die zahllosen Stände und Fressbuden auf der Wiesn – wird dem hungrigen und durstigen, sowie nach Zerstreuung lechzenden Besucher von 11.00 Uhr Vormittag bis kurz vor Mitternacht beinahe alles geboten, was auf einem Rummel dieser Größenordnung vorstellbar ist. Ob Riesenrad oder Achterbahn, Geisterschuppen, Weltraumlift, Looping, Schieß- und Losbuden oder Karussells – alles ist nur aufgeboten zu dem einen Zweck; in möglichst kurzer Zeit soviel Geld zu verdienen wie möglich. Schließlich ist das Oktoberfest längst keine soziale Einrichtung mehr, obwohl jeden Dienstag während der Festtage für Kinder alles zum halben Preis angeboten wird. Außer Alkohol und Rauchwaren natürlich.
Familien sei aus den gemachten Erfahrungen empfohlen, tunlichst an diesen Tagen die Wiesn zu besuchen, und den Ausflug bis spätestens 16.00 Uhr zu beenden. Dann ist es zum einen schon so voll, dass vom Spaß an der Freud nicht mehr viel bleibt. Zum anderen steigt mit Zunahme der Besucherdichte die Zahl der Straftaten (Taschendiebstahl, Körperverletzung etc.) sprunghaft an, was auch durch die Präsenz der Polizei nach 20.00 Uhr nicht völlig verhindert werden kann.
Wem Preise von 6,30 bis 6,80 Euro für eine Maß und 7,00 Euro für ein Brathändl als angemessen erscheinen, der sollte sich vom Sog der Ausgelassenheit über die Wiesn und durch die Zelte ziehen lassen. Spaß kann man haben auch ohne sich vollaufen zu lassen. Das beweisen in jedem Jahr Zehntausende Besucher, was Anlass zur Hoffnung gibt. Böse Zungen behaupten, das Oktoberfest sei zu einer Sauf- und Fressveranstaltung verkommen. Unser Tipp: gehen Sie hin und schauen Sie sich das Event an. Man muss ja nicht bis zum Ende im Zelt hocken. Lassen Sie sich auf keinen Fall die Aussicht über München vom Riesenrad aus entgehen. Bei Tag wie bei Nacht einmalig. Achterbahn und Looping fahren Sie bitte vor Ihren Bierzeltbesuchen. Manch einer konnte Speise und Trank ob der Fliehkräfte nicht mehr bei sich halten. Und das wäre doch schade, wo Sie so teuer dafür bezahlt haben.
Wer außer der Erinnerung an Fliehkräfte und einen fürchterlichen Rausch noch weitere Andenken mit nach Hause nehmen möchte, dem bietet sich dazu auf der Wiesn hinreichend Gelegenheit. Dutzende Souvenirstände halten Kitsch, Nippes und bunten Flitter in allen Varianten feil. Natürlich darf auch das verkitschte Lebkuchenherz mit schmalziger Inschrift nicht fehlen. Und wenn Sie am frühen Nachmittag nur noch im Trippelschritt über den Festplatz marschieren, dann liegt das in den meisten Fällen nicht am Bier, sondern an der Besucherzahl. Verständigung ist ohnehin nur noch im extremen Nahbereich möglich, da die Blasmusik aus den umliegenden Zelten jegliche Konversation im wahrsten Sinne des Wortes hinweg bläst. Aber – seien wir doch ehrlich, zum Quatschen sind wir ja nicht auf die Wiesn gegangen. A Gaudi woll’n mer hab’n – sonst nix.
Na bitte – mehr sollten Sie auch nicht erwarten. Wer nur das sucht, der ist auf dem Oktoberfest, der ist auf der Wiesn bestens aufgehoben. Einen Rat gebe ich Ihnen noch: bleiben Sie nicht bis zum Schluss, auch wenn es Ihnen tatsächlich gefallen sollte. Sehen Sie zu, dass Sie bis 21.00 Uhr davon kommen. Da haben Sie beste Aussichten heil davon zu kommen. Danach besteht durchaus die Möglichkeit, dass Sie zum Ziel – nicht nur eines verirrten Bierkruges werden, der als Ufo den Festwiesenhimmel durcheilt. Und das muss ja nun wirklich nicht sein. Die Maßkrüge gehören auf den Tisch des Bierzeltes und nicht an den Kopf eines Gastes.
Zum Wohl denn, guten Appetit und recht viel Gaudi.
Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch EPS-Schäffler / Körner / Rech
Text: Hans Joachim Rech. Fotos: Marcel Schäffler, Johann Markus, Hans Joachim Rech.
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