Irische Impressionen

von Hans Joachim Rech

"My Green Homeland"

Oft habe ich diese Worte vernommen, als ich auf der "Grünen Insel" weilte, Gast war in einem gastlichen Land. Ich lauschte den Stimmen der Frauen und Männer in den Abendstunden, wenn ich mich nach des Tages Reise in einem der unzähligen, gemütlichen Pubs niederließ. Ich schmeckte die Botschaft des Ozeans auf meinen Lippen am Rande der mächtigen "Cliffs of Moher", jener gewaltigen, steinernen Barriere, die seit Urzeiten dem Toben der Elemente trotzt. Ich nahm den Duft der Wiesen, Moore und Heide wahr, dort, wo die Zeit aufhört zu existieren, wo die Melancholie vom Abschied, von der Einsamkeit, von nicht enden wollender Stille und Ruhe Kunde gibt, dort, wo das Lied der Freundschaft und Wiederkehr gesungen wird. Ich spürte die Wasser des Shannon auf meiner Haut, den sanften Wind über den Hügeln des Burren, den mystischen Hauch einer weit entrückten Zeit auf dem silbernen Rücken des Lough Gur, einer Zeit, die so fern und vergangen scheint, die dennoch jeden meiner Schritte begleitet, leitet, führt und mir eine Welt öffnet, aus der der Gesang der Druiden und Zauberer in meine Sinne weht. Ich las die Inschriften auf Hochkreuzen einer Kultur, die sich über das Maß der Zeit hinaus in die Äonen der Ewigkeit einschrieb. Ich las die verwitterten Namen und Zeichen auf den zerfallenden Mauern einstiger Größe und Macht. Ich las die schlichte, beinahe unauffällige Bitte eines Menschen, seine Gebeine in einem unbenannten Grab beizusetzen, auf daß nicht der Ruhm seines Namens dieses Grab zum Mittelpunkt endloser Besucherströme mache. Von keinem Geringeren ist hier die Rede als von Thomas O Connellan, dem irischen Poeten, der seine letzte Ruhestätte an den Ufern des Lough Gur fand, um den Seelen seiner Ahnen und Freunde ganz nah zu sein. Ich gab mich ganz meinem Wunsch hin der Seele Irlands nahe zu sein, ließ mich tragen von den Winden des Atlantik, spürte die Weisheit in den Inschriften uralter Mauern und Altäre, ließ mich durchdringen von der Kraft und Zärtlichkeit dieses Landes, die mein Herz für die Mystik und die Geheimnisse der "Alten Zeit" öffnete.

Ich war bereit für das "Abenteuer" Irland

Die "Grüne Insel" empfängt mich als ihren Gast mit "sommerlichen" Temperaturen und einem Grün, wie ich es von Zuhause nicht gewohnt bin. Es ist einfach schön und bedeckt dieses Land wie ein dicker weicher Teppich. Dieses Grün ist Balsam für meine Augen und führt meine euphorischen Empfindungen in die Gefilde der Muße, lässt die erregten Gefühle zur Ruhe kommen. Mein erstes Ziel dieses ersten Irlandtages heißt "Rock of Cashel". Auf dem Weg nach Tipperary erhebt sich dieser gewaltige Felsen gleich einem mächtigen Monolith sechzig Meter aus der Ebene empor, und auf seinem Haupt recken sich die Zeugnisse untergegangener Religionsgemeinschaften, die Ruinen einer alten Abtei, einer Burg und Kirche in den tiefblauen Himmel, gegründet von den Benediktinern, umgeben vom gleichnamigen Ort, in dem auch Franziskaner, Dominikaner und Zisterzienser ihre unauslöschlichen Spuren hinterließen, so wie die frühzeitlichen Siedler, die als erste Menschen die besondere Bedeutung dieses Berges nicht nur als Lager- und Wohnplatz erkannten, sondern den "Rock of Cashel" als Geschenk der Götter ansahen, auf dem sie den Geistern ihrer Ahnen und ihren Göttern noch näher sein konnten.

Weit geht der Blick von diesem "Heiligen Berg" der Iren hinaus in die leicht hügelige, sanft gewellte und von Baum- und Gehölzinseln aufgelockerte Landschaft, in der wie Diamanten die Teiche und Seen funkeln, eingefasst durch das smaragdene Grün Irlands, wie ich es schöner und vollkommener nirgends sah auf dieser Welt. Vom "Rock of Cashel" führt mich die Fahrt durch eine verträumte und verspielt anmutende Landschaft, die mich auf Schritt und Tritt daran erinnert, das lange vor der christlichen Zeitrechnung frühe Kulturen in diesem Land existierten, deren geistige Reife und Entwicklung uns in stiller Ehrfurcht schweigen lässt. Vor den Kelten bewohnten steinzeitliche Sammler und Jäger die Insel, errichteten Weihe- und Kultstätten, so die "Grange Stone Circles", die Steinhofkreise wie in Lough Gur und Grabanlagen, die "Stone Age Wedge Tombs", die Steinzeit-Keilgräber, die unübersehbar ihre mächtigen Strukturen aus der ebenen Landschaft erheben. Eine der beeindruckendsten Grabanlagen, wenn auch nicht Fahrtziel meiner Reise, ist der große Tumulus von "Newgrange", nordöstlich von Dublin - nahe Drogheda, eine Ganggrabanlage, in der die architektonischen Fähigkeiten der Erbauer, aber auch die Vorstellung der Menschen jener Tage von einem Leben nach dem Tod, "4000 Jahre" vor unserer Zeit ihre meisterliche Vollendung fanden.

Diesen steinzeitlichen Nomaden, Jägern und Sammlern folgten die Kelten und damit die Bronzezeit, die Druiden und der Sonnenkult. Mehr als fünfhundert Jahre prägte der keltische Einfluss und Wille das Antlitz Irlands. Ein geheimnisvolles und rätselhaftes Volk waren die Kelten. Rätselhaft ihre Herkunft, Nebel verwoben und unergründlich die Züge ihrer Wanderung, die sie plötzlich aus dem Dunkel der Geschichte in das Licht der Historie treten ließen. Aus den tiefen Asiens kommend trat dieses Volk seinen Weg in die Unsterblichkeit an, handwerklich geschickt führten seine Menschen die Bronzemetallurgie zur höchsten Blüte in Europa. Bis hinauf nach Irland trug der Wind den Samen ihrer Botschaft, und das kreativ-künstlerische Element ihres Denkens hat alle nachfolgenden Generationen bis in die heutige Zeit maßgeblich beeinflusst. Ohne die Berührung des Nordens mit der keltischen Hochkultur hätte sicherlich nicht nur die Entwicklung Irlands einen anderen Verlauf genommen. So aber präsentieren sich die Hinterlassenschaften und Artefakte eines einzigartigen prähistorischen Kulturvolkes allenthalben dem sehenden und mit wachen Sinnen durch diese Welt gehenden Menschen, stets auf der Suche nach den Wurzeln seiner Herkunft, hoffend darauf, die Stimmen seiner Ahnen zu vernehmen, die an den Ufern der "Heiligen Seen" vor Äonen den Schutz und die Güte der "Großen Urmutter" erflehten. Im Gefolge der Eisenzeit kamen die christlichen Missionare auf die Insel, und damit begann der Niedergang einer hochstehenden Kultur. Der keltische Sonnenkult, der Druidenzauber, das religiöse Weltbild eines ganzen Volkes verschwand fast widerstandslos aus dem Bewusstsein der Menschen. Die Hinterlassenschaften der einstmals hochstehenden Kultur haben jedoch den Eifer und teilweisen Fanatismus der neuen Religionsprediger überdauert und sind landesweit zu finden. Eine der eindrucksvollsten Weihestätten keltischer Götter - Verehrung befindet sich am "Lough Gur" mit seiner ausgegrabenen und rekonstruierten Siedlung, dem "Grange Stone Circle" und den "Stone Wedge Tombs". Wie beseelt müssen die Menschen dieser Zeit von ihrem Glauben, ihrer Mission gewesen sein, das sie zu solch künstlerisch- architektonischen Leistungen fähig waren? Wie stark war doch ihr Bewusstsein geprägt, ihr Lebensgefühl ausgebildet, das sie zu solchen Handlungen anleitete? Fragen auf die es letztlich keine Antwort gibt genauso wie auf dem über allem stehenden Verlangen nach Antwort darüber, warum die dörfliche Gemeinschaft am Lough Gur praktisch über Nacht aufhört zu existieren, verlassen und aufgegeben die Häuser, Weihestätten und Heiligen Haine.

Welcher Art ist die Katastrophe gewesen, wie groß war das Unglück, wie stark das Verhängnis, das die Menschen veranlasste alles zu opfern, um sich andernorts eine neue Heimat zu suchen?

Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren, und alle Mutmaßungen und Theorien sind letztlich nur Spekulation, die bei allem Bemühen kein Licht in das Dunkel letzter Geheimnisse tragen. Warum das Dorf, der Heilige Hain, die Stein-Kreis-Zirkel, die Altäre und Opfersteine, warum alles das was diese Menschen in Generationen anfertigten und errichteten über Nacht dem Untergang anheim gegeben wurde, wird ein ewiges Geheimnis, das Geheimnis des Heiligen Sees bleiben. Meisterliche Schöpfungen des Bronzehandwerks gab der Lough Gur nach seiner teilweisen Absenkung frei, die, so ergaben die wissenschaftlichen Untersuchungen, dem damaligen Wasserstand exakt entsprach und so die Ansiedlung von Menschen und die Errichtung des freigelegten Dorfes ermöglichte. Eindrucksvollstes Beispiel dieses Kunsthandwerkes ist der berühmte "Lough Gur Bronze Schild", ein großes, reich verziertes, rundes Bronzegebilde, das stilisiert die Sonne und in ihrem Umlauf die Planeten mit allen! bekannten Monden zeigt. Von dieser Tatsache ist die Wissenschaft inzwischen überzeugt, und die Deutungen und Mutmaßungen darüber bleiben jedem Menschen selbst überlassen. Noch eines jener mystischen Geheimnisse das mir dieses wundervolle Land in meine Hände legt, und um dessen Ergründung ich meine Füße nicht auf diese grüne Insel setzte, dessen Aussage mich aber dennoch tief bewegt und mich den Atem der "Alten Zeit" fühlen lässt. So stehe ich im Rund des Dorfes am Ufer des Lough Gur, wo vor mehr als 4000 Jahren ein begnadeter Künstler aus dem geschmolzenen Erz das Kupfer gewann, aus dem er Tage später jenen prunkvollen Schild fertigte, der heute im irischen Nationalmuseum in Dublin die Hochkultur der Bronzezeit auf irländischem Boden verkörpert. Inmitten einer unberührten Landschaft fügen sich Seen, Berge, Wälder und Menschen zu einer harmonischen Einheit zusammen, wie sie intensiver andernorts kaum erlebbar ist.

Von Limerick, der Hauptstadt des gleichnamigen Countys (Grafschaft) ist Lough Gur in zwanzig Fahrminuten zu erreichen, ein Ausflug, der an jedem Tag eines Lebens seine Reise wert ist. Von Lough Gur fahre ich weiter nach Monasteragh Abbey, einer ehemaligen Benediktiner-Abtei, die nur noch als Ruine erhalten ist, wie die meisten der mittelalterlichen Bauwerke auf irischem Boden. Zahlreiche Kriege, Glaubenskämpfe, die Abspaltung Englands von der katholischen Kirche und damit verbundene despotische Herrschaft Heinrichs VIII, aber auch die große Hungersnot im 19.Jhdt., bei der mehr als 4 Millionen Einwohner, also fast die Hälfte der Bevölkerung verhungerte bzw. auswanderte, trugen wesentlich zur Zerstörung und zum Verfall der Gebäude bei. Überwachsene Friedhöfe, auf denen sich aus Gesträuch, Gras und Efeu die Grabsteine längst vergessener Generationen wie mahnende Finger erheben erinnern uns immer wieder an die Tragik und Zerrissenheit dieses großen Volkes, die bis in diese Tage anhält.

Zu meiner Freude und der meines Fahrzeugs stelle ich fest, dass es in Irland, außer bei Dublin, keine Autobahnen gibt, der Raserei also von vorne herein Grenzen gesetzt sind, was nicht nur die Menschen wohltuend registrieren. Herzerfrischend ist die Gastlichkeit der Iren, die mir zu jeder Tageszeit und an jedem Ort entgegengebracht wird. So bunt und lustig wie die Pubs, so lebensfroh ist das Gemüt der "Rotschöpfe", wie sie sich selbst bezeichnen und auch vom Volksmund zuweilen liebevoll genannt werden. In jeder Straße einer Ortschaft, und sei sie auch noch so klein, findet sich der berühmte Hinweis auf eine Pension, "B&B", Bed and-Breakfast, oder "Family Homes of Ireland" Rotes Herz zwischen zwei Händen, die ich nach den gemachten Erfahrungen uneingeschränkt als Tages- und Nachtquartier empfehlen kann.

Neben dem traditionellen irischen Frühstück mit Spiegelei, Schinken, Bratwurst, Toast und Butter, wird auch gerne Müsli, Kornflakes, Marmalade und Konfitüre gereicht, was das morgendliche Schmausen zu einem Hochgenuss macht. Wen es abends dürstet oder hungert, der ist in einem oder mehreren der unzähligen Pubs bestens aufgehoben, die durch ihre ganz persönliche Gestaltung, außen wie innen, schon von weitem auf sich aufmerksam machen. Aber nicht nur die Farben und das Mobiliar sind mehr als interessant an einem Pub, nein, es ist die Musik, die dort gespielt wird. Irische Volksweisen, Lieder von Abschied, Heimweh und Heimkehr; tiefgründig melancholische Musik wechselt von einem zum anderen Augenblick in ein lustiges Liedchen, dass die Iren unbekümmert das Tanzbein schwingen lässt. Die Vertrautheit der Umgebung, die familiäre Atmosphäre, die Geselligkeit und die Freude an Musik und Gesang vermischt sich in den Pubs allabendlich mit irischem Whiskey und dem traditionellen Guinness zu einer geschmeidigen Mixtur, die mir die Seele Irlands, seiner Menschen und seiner Geheimnisse noch näher bringt, als sie es ohnehin schon ist.

Meine Fahrt führt mich weiter zur Westküste, über Adare mit seinen reetgedeckten kleinen Häusern und dem mächtigen Adare-Manor-House, dem Sitz der Grafen von Dunraven nach Newcastle, Abbeyfeale, Castleisland, ehrwürdige und alte Städte die auch das Gesicht Irlands und den Geist seiner Menschen prägten und zu dem gemacht haben, was die Iren ihr "Green Homeland" nennen. Dann gelange ich nach Tralee, der Hauptstadt des Countys Clare, und als der Abend sich niedersenkt, erreiche ich nahe des idyllisch gelegenen Seebades Ballybunion die Westküste und damit den Atlantik, der seine weißgekrönten Wellenberge ohne Pause gegen die steilen Felsen Irlands anrennen lässt. In der Nacht vernehme ich deutlich das Brausen des Meeres, und ich schmecke die Luft, die gesättigt ist vom Salz der Brandung.

Am nächsten Tag fahre ich schon frühzeitig die Küstenstraße entlang hinein in den Mündungsbereich des Shannon, des größten aller irischen Flüsse. Ich möchte mit der Fähre übersetzen nach Killimer, um so dem weiten Umweg über Limerick zu entgehen. Eine beeindruckende Fahrt, diese Strecke von Ballybunion über Ballylongford und Lislaugthin nach Tarbert längs der Steilküste, an der donnernd die Brecher des Atlantiks zerstäuben. Eindrucksvoll und von erhabener Größe zeigen sich die Ruinen einer Franziskaner Abtei, aus deren zerborstenen Mauern zahlreiche Bäume und Gehölze ihre Kronen und Äste in den blauen Himmel recken. Dutzende Gräber, umhüllt vom Hauch ihrer keltischen Erbschaft, verleihen dieser historischen Stätte einen mystisch-verklärten Zauber, eine magische Ausstrahlung die weit über das hinaus geht, was ich allenthalben beim Besuch religiöser Einrichtungen empfinde. Das erste Ziel dieses Tages heißt Ennis, eine Kleinstadt nördlich von Limerick, auch das Tor zum "The Burren" genannt. In diesem pittoresken Städtchen ist nicht nur die Altstadt sehenswert und mit sehr viel Liebe zum Detail restauriert, was durchgängig an den "unzähligen" Pubs zu sehen ist. Auch die zahlreichen Artefakte historischer und prähistorischer Hinterlassenschaft, so die Franziskaner-Abtei und das Augustiner Kloster, aber auch steinzeitliche und keltische Funde machen den Besucher geneigt, dieser malerische Stadt für mehr als einen Tag seine Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Zeit mehr für Ennis sei Ihnen in jedem Fall angeraten. Ennis eignet sich in idealer Weise als Ausgangspunkt zu einer Rundreise durch das County Clare, zum dem auch "The Burren" gehört, ein mystisch-verwunschenes, unter Nebelschleiern verborgenes oder vom Licht des Sommers durchflutetes Karstgebirge, lediglich von Schafen, Gesträuch und vereinzelten Bäumen belebt, die dieser fast unwirklich erscheinenden Landschaft magische Kräfte und zauberische Fähigkeiten verleihen.

Auf meiner Reise durch Irland und der Fahrt durch "The Burren" komme ich hinter Ennis, kurz vor Corrofin, zum "Disert O'Dea", dem "Clare County Archäologic Center", einer beeindruckenden Einrichtung, die auf dem Gelände eines ehemaligen Normannenforts zahlreiche Bauwerke und Ruinen, so Steinzeitgräber und Hochkreuze, Kirchen und Klöster, aber auch die Häuser der einfachen Menschen aus allen nachweisbaren Zeit der Besiedlung auf einem "Archäologischen Pfad" zur Besichtigung anbietet. Wohlgemerkt, die Gebäude und ihre Überreste befinden sich seit ihrer Errichtung auf diesem Gelände, das zu einem der ältesten, nachweisbar von Menschen in festen Häusern bewohnten Gebiete Irlands zählt. Die Begehung des Pfades ist ein eigenartiges und zugleich aufwühlendes Erlebnis. Wer im Anschluss an diese Wanderung durch die Jahrtausende den Weg in den "Burren" findet, dem erschließt sich die Welt unserer Vorfahren auf eine Weise, wie sie nur schwerlich andernorts nachvollziehbar ist. Wie Mahnmale erheben sich die Opfersteine, Steinkeilgräber und Steinkreiszirkel früher Kulturen und der Kelten aus dem fahlen Grau dieses gewaltigen Steinplateaus, in das die Jahrtausende klaffende Wunden schlugen, Spalten, Risse und Höhlen. Wer die Einsamkeit, die Stille und herbe Melancholie der Berge liebt und damit Irlands sucht, der findet im "Burren" sein Dorado. Unbedingt sehenswert sind die "Caves of Aillwee", ein beeindruckendes Tropfsteinhöhlensystem, das vom Wasser in Jahrmillionen aus dem Kalk herausgewaschen wurde. Auf einer geführten Wanderung durch das Labyrinth der Gänge, Stollen und Höhlen erfuhr ich das Gefühl "absoluter Dunkelheit", wie ich sie nie zuvor erlebte.

Unterirdische Wasserfälle, eine phantastische Formenvielfalt, Stalaktiten und Stalakmiten, als Solisten aber auch in Gruppen, eine Struktur schöner als die andere; angestrahlt und beleuchtet vermitteln sie dem Betrachter einen Eindruck vom Zauber, von der Mystik und Beseeltheit, die jene steinzeitlichen Jäger und Sammler erfüllt haben muss, als sie im Schein einfacher Harz- oder Talgfackeln als erste Menschen den Fuß in die Krypta dieses gewaltigen Domes setzten.

Der Besuch der "Caves of Aillwee" ist ein herausragendes Ereignis, das Sie nicht versäumen sollten. Aus dem "Burren" heraus geht die Fahrt über Ballyvaughan herum um die Bucht von Galway bis zum "Black Head" mit seinem weithin sichtbaren weißen Leuchtturm, der nördlichsten Spitze Clares, von wo aus ich die Aussicht auf mich einwirken lasse, die von der imposanten Gebirgskulisse des "Burren" zu meiner Linken, und der endlos sich zu meiner Rechten ausdehnenden Wasserwüste ausgeht. Auf einer schmalen, sich wie ein Lindwurm hinwindenden Straße bei der ich nie sicher bin, ob hinter der nächsten Biegung oder dem himmelhoch aufstrebenden Felsturm diese Straße im Meer endet oder tatsächlich weiterführt, fahre ich in Richtung Süd-Westen bis zum Atlantik, und treffe erneut auf die Steilküste, die Irland gleich einem gewaltigen steinernen Riegel gegen den tobenden Ozean behütet und beschützt. Zum Abschluss dieses Tages schenke ich mir in Doolin die Aussicht auf die Aran-Island, die vor der Küste wie Nussschalen im Ozean liegen. Auch in Doolin überrascht mich die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Iren, die mich wie immer mit viel Lachen und einem fröhlichen "Hallo - welcome, it,s nice to see you here, come in" begrüßen.

Heißer Tee mit einem tüchtigen Schuss irischen Whiskeys ist schon obligatorisch und wird ungefragt auf den Tisch gestellt. Mein Besuch bringt genügend Gesprächsstoff, heißen Tee und den Whiskey, und weit nach Mitternacht erinnere ich mich zwischen lichten Momenten, dass der anbrechende Tag nicht mehr fern und daher schlafen angesagt ist.

Die morgendliche Seeluft ist frisch und prickelnd, und lässt meine Lebensgeister rasch erwachen. Bald schon sehe ich südwestlich voraus die mächtigen "Klippen von Moher" wie riesige Mauern aus dem Meer aufragen. Mehr als zweihundert Meter hoch und fast zehn Kilometer lang, eine gewaltige steinerne Barriere, die seit Jahrtausenden den Mächten des Atlantiks trotzt. Unheimlich ist die Gegenwart dieser Felsmassen, und obwohl ich auf einem Weg hinter einer Sicherungsmauer stehe, kann ich mich kaum lösen von diesem aufwühlenden Anblick. Verlockend ist die Vorstellung, noch näher an den Saum der Klippen heranzutreten. Schmale Pfade legen von der Emsigkeit der Besucher, aber auch von deren Leichtsinn ab, denn die Fallwinde im Bereich der Klippen sind tückisch. Nach diesem beeindruckenden Naturschauspiel fahre ich über Lahinch weiter südlich zum Spanish Point, wo im 17.Jhdt. Teile der Spanischen Armada in die Riffe fuhren und versanken. Noch heute lässt die Wildheit des Atlantiks seine furchtbare Gewalt erahnen, mit der er damals die Schiffe zerschmetterte.

Durch eine fast baum- und buschlose Wiesen- und Weidenlandschaft führen mich kaum befahrene schmale Straßen vorbei an pittoresken Dörfern, die sich wie Schwalbennester zwischen die Felsen zwängen. Bald schon erreiche ich den Loop Head, den südlichsten Punkt von Clare, eine einzigartige, teilweise bizarre Landschaft, deren aufgerissene Küste immer wieder den Blick freigibt auf gewaltige Klippen und riesige Felswände, die glattpoliert und in düsterem Schwarz Hunderte Meter Senkrecht in den Himmel ragen. Donnernd und brausend rennen die Wogen und Brecher des Ozeans seit Äonen gegen das steinerne Bollwerk an. Wehe dem, der seinen Fuß mit keckem Mut in die Nähe dieser brüllenden Schlünde zu setzen wagt.

Ich durchfahre die Halbinsel und sehe bald den im Sonnenlicht silbern schimmernden Shannon behäbig in seinem breiten Bett dem Meer zuströmen, bis ich am späten Nachmittag den Fährhafen Killimer erreiche, wo ich erneut über den Shannon setze. Von Tarbert, auf der anderen Flussseite, geht es nun Richtung Limerick, wo ich noch zweimal übernachte. Zeit genug für einen ausgiebigen Stadtbummel, dem Besuch des King John,s Castle, der King John,s Island und eine nochmalige Fahrt zum Lough Gur, dem heiligen See der Iren.

Im Verlauf dieser wunderschönen Fahrt treffe ich durch Zufall? oder höheren Willen? bei einem kleinen Dorf mit Namen "Crecora" auf einen Friedhof, eine Gräberstätte, ein Golgatha, das aus dem Ablauf allen Geschehens, aus dem Maß der Zeit herausgefallen sein muss. Zerfallene Mauern, meterhoch überwuchert von Sträuchern, Gehölzen und Rankgewächsen, Grabsteine, Hochkreuze, himmelhoch aufragende Bäume, undurchdringlich - undurchsichtiges bedrohlich wirkendes Buschwerk, das sich wie der Rückenpanzer eines Lindwurms um die Überreste der Gräber und durch den Friedhof windet. Hüfthohes Gras, aus dem sich plötzlich und unerwartet der Stumpf eines Steines erhebt, dem die Jahrhunderte oder Jahrtausende? das Gesicht seines Schöpfers zernagten, unlesbar, undeutbar, für immer der Erkenntnis und dem Bewusstsein des Menschen genommen - namenlos für die Ewigkeit. Stumm sehen mich die Inschriften der Kreuze und Grabsteine aus steinernen Augen an, müde und kraftlos verharren Mauerreste unter der Last der Äonen, und durch das Blattwerk der Bäume dringt für die Winzigkeit eines Augenblicks das zersplitterte Licht eines Sonnenstrahls, der sich in flüchtiger Berührung ängstlich zwischen verdorrten Gräsern und bemoosten Steinquadern verliert. Ein stummer Schrei der Verlassenheit brandet wie eine Meereswoge über das Lagerhaus des Todes hin, ergreift mich in wildem Verlangen, überrollt mich, um letztlich doch abzulassen von den Lebenden, die den Seelen ihrer Ahnen fremd wurden und so unendlich fern sind. Still und nachdenklich verlasse ich diesen Ort, und in meine Gedanken um die Toten dieses Gräberfeldes mischen sich in weichem Rhythmus die zarten, fast lautlosen Klänge eines alten, sehr alten irischen Liedes.

Als ich zu meinem Wagen zurückkehre und mich letztmalig nach diesem Friedhof umsehe, ist von den Kreuzen, Steinen und Gräbern nichts mehr zu sehen. Nur der dichte, fast undurchdringliche Wall aus Büschen, Gehölzen und Sträuchern liegt wie eine unüberwindbare Mauer hinter dem verrosteten Eingangstor, und nur wer genau hinsieht, der erkennt den schmalen Spalt inmitten wuchernden Grüns, hinter dem sich das Land der "Alten Zeit" öffnet.

Und schmal ist der Pfad, auf dem ich wandele, dessen Rücken meine Füße trägt und mich geleitet durch ein fremdes Land bis zu jenem Ort, wo ich ausruhen und mich niederlassen kann. Denn bedenke Mensch, daß du wanderst in einer Welt die dich willkommen heißt, deren Freundschaft du gewinnen und deren Liebe du dir erhalten mußt.

Am nächsten Tag heißt es früh aufstehen, denn ich muss um 13.30 an der Fähre in Rosslare sein, also Irland von West nach Ost durchqueren. Über Tipperary mit seiner wald- und bergreichen Umgebung nutze ich die kaum befahrene Straße hinunter nach Rosslare, wo ich genau nach Zeitplan mein Schiff erreiche. Eine wunderschöne, erlebnisreiche und beeindruckende Fahrt durch Irland ist zu Ende. Selbst die zeitliche Einengung, ich war nur 10 Tage unterwegs, davon zwei Tage mit dem Schiff und ein Tag An- und Abfahrt durch Frankreich, selbst diese 7 Tage Irland haben in mir Eindrücke hinterlassen, die nachzuempfinden ich jedem Menschen mit bestem Gewissen empfehlen kann. Irland ist mehr als nur eine Reise wert.



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