Zu Besuch in der Oberlausitz
Dass Deutschlands Hauptstadt an der Spree liegt, wissen
wohl die meisten Bundesbürger. Aber wo eigentlich entspringt die
Spree ? Da sind selbst Berliner oft überfragt. "Im Spreewald" -
lautet eine häufige Antwort. Tatsächlich aber liegt die Quelle
dieses angeblich ur-berliner Flusses viel weiter südlich. Nämlich
in der Oberlausitz. Und die liegt im östlichsten Teil Deutschlands
und grenzt an Polen und Tschechien.
Seit der Wiedervereinigung erfreut sich das landschaftlich reizvolle Gebiet zunehmender Beliebtheit bei internationalen Radwanderern und Autotouristen aus den alten Bundesländern. Wir haben uns für Sie umgesehen - und waren auf Anhieb begeistert: keine Betonsilos, keine Hoch-, Schnell- oder rasante Durchgangsstrassen, keine Schwerindustrie. Dafür aber weite Wiesen, Felder, Wälder, Heide, Flüsse, Teiche und Seen, sowie eine Vielzahl von Volksbräuchen und Veranstaltungen. Alles liegt schön nah beisammen. Aber ein wenig Geschichte sollte man schon kennen. Dann werden plötzlich Namen lebendig, die man bisher meist nur vom Hörensagen kannte. Oder vielleicht aus dem Karl May - Band "Der Pascher".
Vom alten Aussichtsturm auf dem Kottmar (583 m ü.M.) genossen wir den Rundblick über lsergebirge, Riesengebirge, das Zittauer Gebirge, die nordböhmischen Berge, das alte Görlitz, das Elbsandsteingebirge - und natürlich den Buchenwald, in dem die Spree entspringt. Der Kottmar ist ein erloschener Vulkan aus dem Tertiär, und bildet die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee. Die Quelle selbst kommt aus den "Bloen Steenen", den glücksbringenden Blauen Steinen, die die Oberlausitz in vielen Jahrhunderten vor Unheil und Heimsuchungen bewahrt haben. Genau genommen handelt es sich um Phonolit, ein (vulkanisches) Ergussgestein. Weil aber in der Oberlausitz auch seit altersher Granit gebrochen wird, nennt man die Oberlausitzer manchmal auch "Granitschädel".
Taufe mit Spreewasser
An der Quelle erwartete uns eine Elfe. Sie erzählte vom Zwerg Gerbod, dem einstigen Wald- und Wildhüter des Kottmarwaldes. Als Gerbod eines Tages seinen Ger (Speer) in die Erde rammte, war die Quelle herausgeschossen. Unser lautes Rufen nach "Gerbod! Gerbod!" brachte schliesslich den Zwerg persönlich herbei. Er sprang hinter einem Baum hervor, um uns dann anschliessend mit Spreewasser zu taufen. Dazu gab es eine entsprechende Urkunde mit Taufbild. Und das Spottgedicht der "Haglsjungen" (Lausejungen) auf die Berliner. Es heisst darin: "Wull mer die Berlinschen fuppm/ do tu mer do n Quaal verstuppm" (WolIn wir die Berliner foppen/ da tun wir hier den Quell zustoppen). Wer es deftiger mag als den Schluck Quellwasser, der sollte das süffige, dunkle "Eibauer Bier" probieren.
Spreewasser - Taufen finden von April bis Oktober an jedem ersten Sonnabend des Monats statt (oder auf vorherige Bestellung).
Nähere Auskünfte:
Touristeninformation Spreequell-Land
Faktorenhof Eibau
Hauptstrasse 214a, 02739 Eibau
Fax: 03586 / 70 20 57
Genaugenommen gibt es noch zwei weitere Spreequellen: eine in Neugersdorf, die andere in Ebersbach. Sie sind auch per Rad leicht zu erreichen. Ebenso wie die Handlungsorte von zehn Märchen und Sagen der Region auf dem 5,5 km langen "Sagenpfad". In Neugersdorf gibt es auch ein Volksbad mit Freizeitpark. Hier findet im Juli auch der Jakobimarkt statt, und im September das Spreequellfest auf dem Kottmar. Nicht weit davon, in Obercunnersdorf, befindet sich ein Erlebnisbad. Im August gibt es hier auch das "Niedercunnersdorfer Schiessen". Und in Oberoderwitz finden Sie eine Sommerrodelbahn für Jung und alt.
Arrangieren kann man solche "Lausitzer Radpartien" für Gruppen ab 15 Personen u.a. über die
Arbeitsgemeinschaft Spree-Radweg
Tourismusverband Oberlausitz-Niederschlesien
Bahnhofstrasse 14, 02625 Bautzen
Tel.: 03591 / 48 77 0
Weitere Informationen:
Tourismus GmbH Land und Leute
Dr.-Wilhelm-Külz-Str. 1, 02977 Hoyerswerda
Hier bekommt man auch Auskunft, Flyer und Kartenmaterial über die verschiedenen Radwanderwege der Region. Dazu gehören z.B. der Froschradweg durch die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft, und verschiedene andere Themenradwege. Alle sind ausgeschildert. Ebenfalls lassen sich Gepäcktransporte arrangieren.
Auf dem Spree-Radwanderweg (er führt von den Spreequellen 370 km weit bis Fürstenwalde bei Berlin) kann man einen grossen Teil der Oberlausitz erkunden. Das gesamte Netz wurde nach der Wende mit grossem Aufwand ausgebaut, allein 30 Millionen Mark hat man in die überregionalen Radfahrwege gesteckt, um den Tourismus anzukurbeln.
Vom Gebiet um die drei Spreequellen können Sie alle interessanten grösseren und kleineren Städte und Orte der Oberlausitz mit dem Auto bequem erreichen. Görlitz im Nordosten z.B., oder Zittau im Süden oder Bautzen. Der Name weckt auch bei Einheimischen im ersten Moment ungute Erinnerungen. Hier befand sich zu DDR-Zeiten das Gefängnis des "Stasi" für politische Häftlinge.Heute hat der Name Bautzen seinen Schrecken verloren, ist zur Touristenattraktion geworden, und das Gefängnis ist Gedenkstätte und kann besichtigt werden. Viele Strassen, Häuser und historische Bauten wurden restauriert. Mit seinem spätgotischen Dom St. Petri, dem Domstift mit der Domschatzkammer und vor allem mit dem sorbischen Museum ist Bautzen ein Muß für jeden, der die Oberlausitz besucht. Denn Bautzen - nicht der Spreewald - ist die heimliche Hauptstadt der Sorben. Man nennt die vieltürmige Stadt auch das "Nürnberg des Nordens".
Sorbische Osterbräuche
Die Sorben, ein slawisches Volk, sind schon seit zwei Jahrtausenden in der Oberlausitz ansässig. Sie haben das "Großdeutsche Reich" und die "DDR" überstanden. Kultur und Brauchtum werden gepflegt, obersorbisch und niedersorbisch wird lebendig gesprochen. Viele Ortsschilder im Osten der Oberlausitz sind zweisprachig. In Kamenz wurde Gotthold Ephraim Lessing geboren; Sorbisch heisst das Kamjenc - Ort am Stein. Und unter dem Ortsnamen Weisswasser steht die sorbische Bezeichnung Bjela Woda. Viele Kinder wachsen noch mit Sorbisch als Muttersprache auf. Am Sorbischen Gymnasium in Bautzen werden die meisten Fächer in Sorbisch unterrichtet, und im Rundfunk gibt es täglich mehrere Sendestunden auf Sorbisch.
Was für die Menschen im Erzgebirge das Weihnachtsfest, das ist für die Oberlausitzer das Osterfest. Von den Kirchtürmen läuten die Glocken, Männer in Frack und Zylinder umreiten am Ostersonntag feierlich den Friedhof ihres Ortes und dann die FIuren, ziehen in einer Prozession von einem Dorf zum anderen, um die Wiederauferstehung Christi zu verkünden. Bis zu 1500 Reiter sind unterwegs. Dann findet in Niedergurig auch das "Ostereierschieben" statt. Hartgekochte Eier lässt man den Berg herunterrollen.
Überhaupt, die Ostereier! Die Sorben haben das Verzieren der Ostereier zu einer wahren Volkskunst erhoben. Bemalte Eier sind - nicht nur zu Ostern - ein beliebtes Mitbringsel aus der Oberlausitz. Andere Handwerkskünste sind die Töpferei und das Korbflechten. Im Gasthaus "Wjelbik" in Bautzen können Sie ein sorbisches Hochzeitsessen geniessen, ehe Sie mit uns von den Spreequellen zu weiteren Erkundungsreisen starten. Nur kurz etwas noch zu Leib und Magen: Böhmische Knödel sind vielerorts eine Spezialität. Probieren Sie aber auch den "Oberlausitzer Kleckskuchen". Das ist eine Mischung aus Quark, Streusel und Mohn.
Faktorenhöfe und Umgebindehäuser
Probieren Sie's mal in der "Scheune". Das ist eine Gaststätte mit historischem Ambiente. Sie liegt nur drei Kilometer weit von Neugersdorf, im Ort Eibau mit seinem sehenswerten Faktorenhof. Die Oberlausitz war einst das Land der Weber, die ihr Leinen aus Flachs in Heimarbeit herstellten. Im Faktorenhof (dem Wohn- und Lagerhaus) der Fabrikanten, wurde die Ware abgeliefert. Die Fabrikanten sorgten für den Weitertransport nach Leipzig und in die anderen grossen Städte. Das anno 1717 gebaute Haus No. 21 des Faktors Schäfer in Eibau, nach der Wende stilgerecht und liebevoll restauriert, gilt als "Perle" unter den Barockbauten der Region. Es handelt sich um einen sogenannten Dreiseitenhof. In der ehemaligen Scheune befindet sich die gleichnamige Gaststätte mit ihrem besonderen Ambiente. Vom Jahr 2000 an beginnt die Weinbrennerei Wilthen hier mit Schauabfüllungen. Der Hof soll nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten touristischer und kultureller Mittelpunkt der Ortschaften um den Kottmarberg werden.
Auch der Faktorenhof war vor seinem Ausbau zu Beginn des 18.Jahrhunderts ein "Umgebindehaus". Die einmaligen Umgebindehäuser stellen eines der grössten, zusammenhängenden Flächendenkmale der Volksarchitektur dar. Dieser Haustyp, von dem es noch einige tausend gibt, war und ist charakteristisch für die südliche Oberlausitz: ein hölzernes Traggerüst aus Balken trägt das obere Stockwerk und umschliesst (umbindet) den Wohntrakt. Der nicht umgebundene Teil diente für das Vieh. In solchen Häusern lebten früher mehrere Generationen von Heimwebern. Manche der Bauten stammen aus dem 16. Jahrhundert, die "Alte Mangel" in Ebersbach aus der Zeit des Barock. Die "Alte Webstube" in Niedercunnersdorf ist Museum. Seit der Wende werden die Häuser Bau für Bau liebevoll restauriert, und dienen meist privaten Wohnzwecken. Einige sind jedoch zu Schänken, Pensionen oder Hotels geworden.
Ein deutscher Robin Hood
Eine andere Besonderheit der Oberlausitz ist der Räuberhauptmann Karasek. Seine Heimat war die Gegend um Zittau ganz im Süden der Oberlausitz. Die Region, ein echtes Dreiländereck grenzt hier an Tschechien und Polen. Und entsprechend bunt ist ihr Gepräge. Einen liebenswürdigen Dialekt sprechen die Bewohner. Sie rollen das R, dass "Rrrroberrrt Rrrredforrrd" seine Freude daran hätte. Ein wenig "behmsch" (böhmisch) klingt durch.
Zu Fuss, per Rad oder mit dem Auto kann man über die Grenze, nur eine Stunde dauert die Fahrt mit dem Pkw nach Prag. Karasek, eine Art deutscher Robin Hood, betrieb die Grenzgängerei jedoch als "Pascher" (Schmuggler) und Räuberhauptmann. Er überfiel die Reichen, beschenkte - angeblich - die Armen. Zwischen 1795 und 1800 trieb er in der Region sein Unwesen. Dann wurde er gefangengenommen, und in Bautzen vor Gericht gestellt. Drei Jahre dauerte der Prozess, zweimal wurde er zum Tode verurteilt, schliesslich zu lebenslänglicher Haft begnadigt. 1803 kam er in die Kasematten von Dresden. Von dort versuchte er immer wieder zu fliehen. Erfolglos. Schliesslich bekam er ein 30 Kilo Gewicht ans Fussgelenk, und das wars. Er starb 1809. Heute profitiert die ganze Gegend von ihm und seinen Taten. Es gibt ein Karasek-Museum in Seifhennersdorf, Karasek-Strassen und Brunnen, Karasek-Brot, Karasek-Wander- und Radfahrwege.
Fahren wir wieder nach Nordwesten, so kommen wir in einer knappen Stunde auf der B 96 nach Taubenheim. Der kleine Ort hat sich den Namen Mekka der Sonnenuhren zugelegt. 17 Stück, davon sechs mit historischen Motiven, zieren die verschiedenen Hausfassaden. Und dann kommt Schirgiswalde, eine geschichtliche Kuriosität. Der besuchenswerte Ort liegt in einem schönen Tal am Oberlauf der Spree. Im Jahr 1300 wurde er gegründet und war bis 1809 in böhmischem Besitz. Danach aber galt er 36 Jahre lang als Freistaat. In dieser "Republik Schirgiswalde" galt Steuerfreiheit, es gab keinerlei Militärdienst, politische Flüchtlinge wurden aufgenommen. Vor allem aber gab es hier das in Sachsen verbotene "Böhmische Lotto", ein Glücksspiel. Und einen blühenden Schmuggel. Pascher brachten ihre Waren heimlich zollfrei und deshalb billiger nach Sachsen. Erst 1845 wurde die Mini - Republik Schirgiswalde an Sachsen übergeben. Die katholische Pfarrkirche von Schirgiswalde ist ein seltenes Beispiel des böhmischen Landbarocks der Region.
Alle Sehenswürdigkeiten der Oberlausitz lassen sich von einem festen Standquartier aus bequem erreichen und besichtigen: im Norden von Bautzen eine fast unberührte Heide- und Teichlandschaft. Ein Teil davon steht als "Biosphärenreservat" unter Schutz. Die alte Bockwindmühle in Kottmarsdorf, mit Museum und Restaurant; Zittau mit seinen prächtigen Patrizierhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert am Marktplatz; Löbau, von 1346 bis 1814 Konventstadt des mächtigen Oberlausitzer Sechsstädtebundes. Zu den Sehenswürdigkeiten zählen der gusseiserne Aussichtsturm, der Markt mit dem Rathaus, die vom Architekten Hans Scharoun gebaute Schminke-Villa. Wunderschön auch die Umgebinde-Häuser in Großschönau an der Mandau, und der Berg Oybin mit der Klosterruine. Dazu wunderschöne Schlösser, Parks und Gärten, wie man sie nicht vermuten würde. Wir wohnten im Hotel- und Freizeitpark "Am Lärchenberg" in Schirgiswalde, eine Anlage geeignet für Wochenendausflüge, Familienurlaub und Gruppenfahrten. Minigolf, Tennisplätze oder Schach im Freien sorgen zusätzlich für Abwechslung. Die Zimmer bieten Dusche, WC, SAT-TV, Telefon und Faxanschluss. Halb- oder Vollpension sind möglich - und wenn vorher abgesprochen, kann man auch seinen Hund mitbringen. Bis nach Dresden sind es von da nur 55 km, nach Bautzen 12 km, zur Grenze nach Tschechien 25 km und nach Polen 50 km.
Anschrift:
Hotel & Freizeitpark
Am Lärchenberg
Lärchenbergweg 2, 02681 Schirgiswalde
Tel.: 03592 / 36 60, Fax: 03592 / 36 855
Anreise:
Regional-Anreise mit der Bahn: die drei Spreequellen in Ebersbach, Neugersdorf und Walddorf/Eibau sind alle mit derselben Bahnlinie zu erreichen, die zwischen Dresden und Zittau verkehrt. Die Fahrt nach oder von Dresden dauert zwei Stunden. Alle zwei Stunden fährt ein Zug mit Fahrradmitnahme. Fahrräder können aber auch oft "Vor Ort" geliehen werden.
Weitere Informationen:
Touristische Gebietsgemeinschaft
"Oberlausitzer Bergland"
Sohlander Str. 3 a, 02681 Schirgiswalde
Tel.: 03592 / 3 48 97, Fax: 03592 / 50 13 97
Tourismusverband
Oberlausitz-Niederschlesien e.V.
Bahnhofstrasse 14, 02625 Bautzen
Tel.: 03591 / 48 77 0
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