Radwandern in Frankreich
Die Geschichte der
Loire-Schlösser

von Hans Joachim Rech

Die Schlösser der Loire

Wer dem Lauf der Loire folgt gelangt unweigerlich nach Orléans, wo Sie Ihre "Tour de Chateaus", die Schlösser-Tour beginnen können. Enden wird diese Reise niemals, wenn wir auch bei Nantes den Mündungsbereich des Flusses erreichen, dort, wo sich die eher trägen Wassermassen der Loire in den Atlantik ergießen, die ihren lebendig-frischen, ewig jungen Lauf hoch oben in den Cevennen begannen, denn die Loire ist Frankreichs längster Fluss und schon deshalb der ehrwürdig-historischen Tradition und Geschichte des Landes verpflichtet. Längs des Flusslaufes, was geographisch nicht unbedingt das Tal der Loire ist, denn von einem Flusstal kann beim besten Willen nicht die Rede sein, reihen sich die elegantesten und schönsten Schlösser Frankreichs wie Perlen an einer Kette. In diesem Garten Eden der Verspieltheit und Sorglosigkeit blühten einst alle Künste der ausgehenden Gotik und der Renaissance in 120 Schlössern rechts und links des großen Stromes, sowie an seinen Nebenflüssen Beuvron, Cher, Indre und Vienne. Wer hier unterwegs ist, der sollte sich bei aller Pracht und Vielfalt wirklich nur auf die prächtigsten Bauwerke konzentrieren, so die architektonischen Kostbarkeiten Chambord, oder Chenonceaux, das mittelalterliche, türmereiche Chaumont, wo Katharina von Medici in der Verbannung lebte. Oder Amboise: hinter seinen Mauern starb der greise Leonardo da Vinci in den Armen seines königlichen Freundes Franz I.

Eines der reizvollsten in sich geschlossenen Beispiele der Renaissance-Architektur ist ohne Zweifel Azay-le-Rideau im Tal der Indre. Villandry, nicht weit entfernt, ist schon wegen seiner ausgefallenen Gärten mehr als nur einen Besuch wert, denn die Anlage wird mit sehr viel Aufwand im reinsten Stil des 16.Jhdts. erhalten. Chambord schließlich sprengt alle Maße und Vorstellungen von einem Schloß. Es ist der Ort schlechthin, an dem das Königtum erstmals seine grenzenlose und absolutistische Macht entfaltete.

440 Räume beherbergt der 156 Meter lange Bau, der von zahlreichen Kaminen überragt wird. Grandios ist die raumgreifende Treppenanlage aus zwei ineinander gedrehten Laufspindeln, grandios auch die Dachterrasse, auf der Türme, Pavillons und Kamine eine kleine Stadt für sich bilden. Die Loire scheint von alledem unberührt. Gemächlich durchzieht sie den Garten Frankreichs - ein Paradies für Ruderer, Wasserwanderer mit dem Kajak und Angler. Mehr als 100 berühmte Weine wachsen und reifen im Loire-Tal, so der Beaugency, Romarotin, Vouvray und Chinon, aber auch jener fruchtig-trockene Muscadet-Wein, der die Fachwelt seinerzeit aufhorchen ließ.

Die anmutige Landschaft des Loire-Tales, die Milde seines Klimas und die Verkehrsbedingungen des einst schiffbelebten Stromes hat viele französische Könige und zahlreiche Adlige veranlasst, im schönsten mittleren Abschnitt der Loire Burgen und Schlösser zu bauen, die heute zu den wichtigsten touristischen Zielen Frankreichs zählen und Baustile aus fünf Jahrhunderten zeigen. Auf die wehrhaften Burgen des 13. und 14. Jahrhunderts (Sully, Langeais, Loches, Chinon und Angers) folgten prunkvolle Renaissanceschlösser, unter denen die von Chambord, Blois, Chenonceau/ Chateau und Amboise die schönsten sind. Aber auch die Klassik hat ihre Zeugen hinterlassen. Hinzu kommen prächtige Gärten im französischen Stil, die manchmal, so in Villandry, den Hauptreiz der Anlage ausmachen. Ein besonderer Augen- und Ohrenschmaus ist der Besuch vieler Schlösser im Sommer, die mit beeindrucken Licht-Tonschauen nach Einbruch der Dunkelheit bis fast Mitternacht die Anlagen in ein mystisches Licht tauchen und mit literarischen Texten beleben. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wandelte sich das Tal der mittleren Loire zwischen Orléans und Saumur zum bevorzugten Aufenthaltsort der französischen Könige und des Adels. In Chinon kam es auch zur historischen Begegnung zwischen Karl VII und Jeanne d'Arc, der "Jungfrau von Orleans". Karl VIII machte aus Italien heimkehrend die dort aufkeimende Renaissance zur "Staatskultur" und ließ sein Stammschloss Amboise im neuen Kunststil erweitern, was letztlich den Boden bereitete für den Siegeszug dieses neuen Kunstgedankens. Die Neubauten "schossen" wie Pilze aus dem Boden, so Châteaudun, Chenonceau, Blois und Chambord. Statt der militärischen Unbeweglichkeit und Masse, wandelte sich das Schloss jetzt zum repräsentativen Prunkbau, wenn auch in den Grundzügen der wehrhafte Charakter der Anlage an das Burgendenken erinnerte. Geniale Baumeister und Künstler, so Leonardo da Vinci, verbrachten Jahre ihres Lebens am königlichen Hof in Amboise. Nach und nach zog es jedoch den König samt Hofstaat nach Paris, was ein Nachlassen der Bautätigkeit im Loire-Tal zur Folge hatte. Die Landschaft versank in provinzieller Beschaulichkeit, und um 1900 wurde wegen des Konkurrenzdrucks durch die Eisenbahn auch die kommerzielle Schifffahrt auf dem Strom eingestellt. Für Wanderer und Radfahrer ist diese architektonisch-paradiesische Gemeinschaft das Dorado zum besseren kennen lernen und Verständnis einer Kultur und ihrer Menschen, die dem abendländischen Europa wie kaum ein anderer Kulturkreis seine Handschrift aufgedrückt hat.

Charakter des Loire-Tales

Jedermann spricht vom "Loire-Tal", aber eigentlich sollte das nicht sein. Denn damit ist weder die Loire gemeint - noch ein Tal, sondern die gesamte Umgebung, nämlich hundert Kilometer rechts und links des Flusses, so genau nimmt das niemand. Und ein Tal ist es schon gar nicht. Die Loire und ihre Nebenflüsse sind so seicht, still und lieblich, dabei jedoch romantisch und verwunschen, ohne auch nur ein paar Vertiefungen in die sanfte Landschaft zu prägen. Geographisch-historisch wird die beschriebene Landschaft "Touraine" genannt, das ist im engeren Sinne die Gegend rings um Tours, die schon im Mittelalter als der "Garten Frankreichs" oder "Le Coeur de France" genannt wurde. Die exponierte Lage, das günstige Klima und die schier unerschöpfliche Fruchtbarkeit des Loire-Tales, wurde bereits frühzeitig von weitsichtigen Menschen erkannt.

So war die Entdeckung des längsten Stromes Frankreichs und seiner einzigartigen Vorzüge durch König und Adel das zwangsläufige Ergebnis des Strebens nach Vollkommenheit und Vollendung, das mit den Schlössern und Gärten dieses Tales beredtes Zeugnis ablegt.

Auf dieser Radwanderung durch den Garten Frankreichs haben sie ausgiebig Gelegenheit, die Heiterkeit der Menschen, die Harmonie von Natur und Kultur - und das "savoir vivre", der Kunst zu leben, kennen zu lernen. Dabei und auf allen ihren Wegen in und außerhalb des Loire-Tals begleiten sie meine herzlichsten Wünsche.

Langeais

Dieses Schloss ist für das Loire-Tal ein Kuriosum, denn es wurde um das Jahr 1465, innerhalb von 5 Jahren komplett aufgebaut und seit dieser Zeit nicht mehr verändert. So zeigt sich das Schloss als typisch mittelalterlicher Wehrbau mit mächtigen Rundtürmen und einem 135 Meter langen, gedeckten Wehrgang. Die Innenräume sind ganz im Stil der Zeit eingerichtet - mit Himmelbetten, Truhen, gotischen Möbeln, Wandteppichen und mächtigen Kaminen. Auch die Gärten, im präzis-symmetrisch französischen Stil, sind sehr interessant und sehenswert.

Villandry

Vom alten Wehrbau sind nur der Zentralturm aus dem 16.Jhdt. und der Garten übriggeblieben. Die Gartenanlage ist der faszinierende Schwerpunkt des Ensembles und wurde im gleichen Jahrhundert entworfen und angelegt. Im 19.Jhdt. versuchten die Architekten den Garten, so wie es damals Mode war, in einen "englischen" Park zu verwandeln, fanden aber wieder zum alten Muster zurück - und blieben endgültig dabei. So stellt der Schlossgarten in diesen Tagen etwas Einmaliges dar; eine bilderbuchgetreue vornehme Terrassen-Anlage des 16.Jhdt. mit geometrisch angeordneten, von exakt geschnittenen Buchsbaumhecken eingefassten Beeten, mit Wassergärten und sogar kunstvoll aufgegliederten Gemüsebeeten.

Amboise

Der prächtige Bau über dem Fluss war das Schicksal König Karl VIII. Hier wurde er geboren, wuchs heran, ließ das Schloss gewaltig umbauen und starb schließlich darin; eines Tages rannte er mit seinem Kopf gegen einen zu niedrigen Türsturz. In der Renaissance lebten hier Ludwig XII und Franz I. Dieser stiftete dem greisen Leonardo-da-Vinci den Herrensitz Clos-Lucé - gleich nebenan - als Altenheimstatt. Franz I ließ sogar einen unterirdischen Gang zwischen beiden Schlössern graben. Doch Leonardo fühlte sich längst nicht als Rentner und wurde entsprechend aktiv. Er befasste sich mit Innenarchitektur und Wasserversorgung mehrerer Loire-Schlösser, entwarf Pläne für die Trockenlegung der Sümpfe von Sologne und organisierte nebenbei auf Amboise die glanzvollsten Feste, wo sogar künstliche Löwen umhergingen, brüllten und die Mähnen schüttelten.

Schloß Amboise ist zu besichtigen, genauso wie das zweiflügelige Clos Lucé; dort sind auch viele Modelle von Erfindungen sowie Skizzen und Entwürfe aus den letzten Jahren von Leonardo zu sehen.

Chenonceaux

Dies ist wohl das bezauberndste und berühmteste Schloss der Region. Schuld daran ist nicht zuletzt die Lage: auf einer mehrbogigen Brücke über den dahinziehenden Wassern des Cher, umgeben von uralten Bäumen in einem blühenden Park, thront dieses bauliche Meisterwerk auf wahrhaft königliche Art. Das Schloss war ein Geschenk, das König Heinrich II seiner Geliebten Diane de Poitiers machte.

Doch als der König bei einem Turnier umkam, nahm seine Frau Katharina der schönen Diane das Gebäude wieder weg, und verbannte die ehemalige Mätresse des Königs auf das düstere, am Oberlauf der Loire gelegene Chaumont. Dann staffierte sie Chenonceaux für sich mit kostbaren Möbeln und Kunstgegenständen aus Italien aus. Das alles kann man heute noch bewundern.

Blois

Wie ein Amphitheater steigt die Stadt den Hang empor. Im 16.Jhdt. hatte sie die gleiche Bedeutung die 200 Jahre später Versailles einnahm: Es war die eigentliche Hauptstadt Frankreichs. Das königliche Schloss ist ein massig wirkendes Bauwerk, das einen großen Innenhof von vier Seiten fast umschließt. Die verschiedenen Teile des ineinander verschachtelten Bauwerks stammen aus den unterschiedlichsten Epochen. Da gibt es einen Flügel Ludwig XII mit einer geschmückten Galerie, einen Renaissance-Flügel mit offenem Treppenturm aus der Zeit Franz I und einen schlichten Barock-Flügel, den Gaston d'Orléans bauen ließ.

Loches

Eine der reizvollsten kleinen Städte Frankreichs. Auf einem Hügel über der Indre drängen sich die von Renaissance-Häusern gesäumten alten Gassen hinauf zum Königsschloss. Dort entdeckt man alte Möbel und Wandteppiche und kann von der Terrasse aus einen schönen Blick über das Städtchen tun. Ein Rundgang entlang der alten Befestigungsmauern ist dagegen recht schaurig. Dort waren Jahrhundertelang die politischen Gefangenen der Könige eingekerkert. In den unterirdischen Verliesen findet man Zeichnungen und Inschriften der Inhaftierten.

Chambord

Sind die Schlösser der Loire und ihrer Nebenflüsse in sich schon ein Begriff für "Superlative in Sachen Schloss- und Burgenbau", so kann Chambord getrost die Bezeichnung "Mega-Schloss" für sich in Anspruch nehmen. Chambord ist ein gewaltiges, fast unheimliches Königsschloss der Früh-Renaissance - wie aus einem Schauermärchen. Fast 400 Schornsteine/Kamine, mehr als 800 Kapitelle, Turmspitzen, Glockentürme und Giebel recken sich scheinbar wirr und zum Teil völlig nutzlos aus dem Dach in den blauen Himmel. Eine in ihrer technischen Konzeption beispiellose Wendeltreppe führt hinauf in höchste Höhen; man kann sich das bizarre architektonische Schauspiel aus der Nähe betrachten.

Außerdem besteht die Möglichkeit, aus luftiger Höhe in den stimmungsvollen Ehrenhof hineinzuschauen, was für jeden Freund der Renaissance-Architektur ein virtuoses Vergnügen ist. Dieser Hof wird an allen vier Seiten von Bauwerken umschlossen. Beeindruckend auch die zum Schloss gehörende Parkanlage. 32 Kilometer lang ist die Mauer, die den riesigen Park umschließt, und der einst königliches Jagdrevier war, in dem Falken- und Hetzjagden, auch Parforce Jagden genannt, stattfanden. Alles das wird jedoch überragt von der Masse des Bauwerks, das mit 156 Metern Länge und 440 Zimmern seinesgleichen nicht hat in Europa.

Als Ausgangspunkt für gesellschaftliche Empfänge und jagdliche Vergnügungen; alle französischen Könige waren leidenschaftliche Jäger, bot Chambord in jeder Hinsicht ideale Voraussetzungen. In Chambord unterhielt der Adel sogar eine eigene Falknerei mit mehr als 300 abgerichteten Tieren. Auch in diesen Tagen kann man von mehreren Aussichtsplattformen das Wild in seiner nahezu "natürlichen" Umgebung beobachten.

1. Etappe: Tours - Azay-le-Rideau

Nachdem wir Tours besichtigt haben, radeln wir zunächst die Loire abwärts und gelangen schließlich nach Villandry, einem Schloss aus dem 12.Jhdt. mit seinen weltberühmten Renaissance-Gärten, die wir ausgiebig erforschen und vor allem - erschmecken. Denn die Früchte der Gärten sind - soweit durch Hände erreichbar, allesamt zur Verkostung freigegeben. Guten Appetit. Danach heißt es "auf die Sättel" und bald schon liegt die mittelalterliche Festung Langeais vor uns. Gegründet wurde die Anlage im 10.Jhdt. als Bollwerk zum Schutz gegen englische Überfälle, dabei stets erweitert und umgebaut. Aber erst Mitte des 15.Jhdt. entstand die Wasserburg, die heute als Schloss von Langeais in einem Atemzug mit den Schlössern der Loire genannt wird. Doch kam ihre eigentliche Bestimmung nie zum Einsatz, denn Karl VIII heiratete 1491 Anna von Bretagne und vollzog so auf sehr geschickte Weise den Friedensschluss mit den Bretonen, die ihr Land bis dahin den Engländern als Aufmarschgebiet zur Verfügung stellten. Denn im 15.Jhdt. bildete die Loire die politisch-natürliche Grenze zwischen Frankreich und England. Erbaut wurde Longeais von Ludwig XI. Die Fassade des Bauwerks erinnert an ein klassisches Fort des Mittelalters mit wuchtigen Türmen und massigen Mauern, die mehr als vier Meter dick sind. Im Inneren herrscht dagegen die Renaissance vor, jene Kunstrichtung, die Karl VIII während seiner Kriege in Italien nach Frankreich importierte. Besonderes Interesse verdient die Sammlung hochwertiger Wandteppiche aus dem 15.Jhdt. und 16.Jhdt., so der Gotik und Renaissance. Beherrschend erhebt sich aus dem Geviert der Anlage der Turm des Nerra, des Grafen von Anjou, des "Faucon Noir", auch der schreckliche "Schwarze Falke" genannt. In diesem Turm befinden sich die Verliese (Kerker) und Folterkammern, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht zugänglich sind. Als Karl VIII und Anna von Bretagne die Ehe eingingen, nahmen sie in ihr Wappen traditionell das Zeichen der Lilie(Wappenzeichen aller französischen Könige) und die stilisierten Hermelinschwänze, das Zeichen der Bretagne auf. Zu sehen ist in der Burg die nachgestellte Hochzeit in Form einer Wachsfigurengruppe, in der alle damaligen Vertreter des Hofes und der Kirche anwesend waren. Dem kunstsinnigen Besucher sei überdies der Besuch der Gobelinschule im Schloss empfohlen, in der nach alten Vorlagen gefertigte Teppiche erworben werden können.

Wem der Bedarf an Radfahren für diesen Tag gedeckt ist, der bezieht Quartier in Langeais im Hotel La Duchesse Anne, das ich aus eigener Erfahrung nur empfehlen kann. Hier sind Sie bestens aufgehoben.

Von Langeais aus radeln wir erneut über den Cher in Richtung Brehemont, wo der Cher in die Loire mündet. In Brehemont existierte bis in das 19.Jhdt. eine bedeutende Hanf- und Seilerwarenindustrie, die der Region enormen wirtschaftlichen Aufschwung verschaffte. Doch der Hafen von Brehemont versandete gemeinsam mit der Loire, und die rasante Entwicklung der Technik und der Ausbau des Eisenbahnnetzes ließen der beschaulichen Loire und damit der Schifffahrt keine Chance auf Wettbewerb. So wurde die Loire wieder das, was sie über Jahrtausende immer war, ein Paradies. Dieses Paradies zu entdecken ist für Radtouristen ein Geschenk ohne Vergleich in Europa, denn jede Radtour hat ihren eigenen Reiz und Charme und ist somit individuell. Nach Brehemont fahren wir auf der Deichstraße weiter, und plötzlich öffnet sich vor uns das Tal der Indre, auf das wir über eine malerische Allee zuradeln. Wie ein großer heller Berg liegt das Schloss Ussé vor unseren Augen, ein Märchenschloss, in dem niemals ein französischer König übernachtete, gleichwohl alle Schlösser der Loire und ihrer Nebenflüsse über geeignete Gemächer verfügen. Lediglich im 20.Jhdt. hielt Haile Selassie, der Kaiser von Äthiopien, für 20 Minuten einen Mittagsschlaf in Ussé, womit die königliche Bedeutung des Schlosses, wenn auch spät, doch noch erfüllt wurde.

Errichtet wurde Ussé im 15./16.Jhdt. auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Burg. Ussé sah im Laufe seiner Existenz viele Besitzer, die jeweils ihren eigenen Geschmack einbrachten.

Auf die Kapelle von 1538 folgten 1664 die ausladenden Terrassen mit zahlreichen Orangenbäumen. Während der linke Pavillon erbaut wurde, ließen die Architekten den Nordflügel abreißen, was eine beeindruckende Öffnung, nicht nur eine grundlegende architektonische Veränderung, sondern auch eine Wandlung der Sitten und Gebräuche zum Ausdruck brachte.

Bis zum heutigen Tage blieb das Schloss in Privatbesitz. Eine Besichtigung ist zwar möglich, im Hinblick auf den hohen Eintrittspreis und die zu erwartenden Exponate jedoch wenig ratsam. Unabhängig davon bietet Ussé einen wahrlich "märchenhaften" Anblick, der durch seine reinweiße Struktur und den umgebenden dunklen Wald zusätzliche Dynamik erfährt. Selbstverständlich ist die Welt um Ussé nicht stehen geblieben, und dem aufmerksamen Besucher fallen die riesigen Kernkraftwerke auf, die längs der Loire errichtet wurden. Es handelt sich um vier Blöcke, die 15% des französischen Energiebedarfs decken.

Von Ussé aus verläuft unsere Tour auf der D 17 in Richtung Azay-le-Rideau, wo der agile Radwanderer im Laufe des Nachmittags eintrifft. Das Schloss verdankt seinen Namen einem Herrn le Ridell, der im 12.Jhdt. eine Burg errichten ließ. Auf den Grundmauern dieser Burg entstand später das Renaissance-Schloss Azay-le-Rideau, das alle Charakteristika einer Festung in sich vereint, was sich bei näherer Betrachtung als Blendwerk entpuppt. Ein epochales architektonisches Meisterwerk des westeuropäischen Burgenbaus stellt zweifellos die gerade Treppe dar, der erste Stufengang auf französischem Boden, der mit Umkehrplatte gebaut wurde, ein für damalige Verhältnisse gewagtes Unterfangen.

Azay-le-Rideau liegt wie Ussé direkt an der Indre, die zum einen durch ihre vielen Mühlen, zum anderen durch ihre unberechenbaren Hochwasser zum Schrecken aller Bauherren wurde. Dies war mit der Grund, warum alle Böden des Schlosses angehoben wurden. Azay-le-Rideau wird auch gern als "Frauenschloss" bezeichnet und zwar deshalb, weil die Ausführung des Bauwerks von einer Frau beaufsichtigt wurde, nämlich der Gattin des Schatzmeisters von Frankreich, Madame Philippe Leshaby. Diese Aufsicht dokumentiert sich in zahlreichen Feinheiten, die bei einem Rundgang durch das Schloss zu entdecken sind. So hat unter anderem die Küche einen direkten Wasserzulauf von der Indre, durch den stets sauberes Wasser in ein Sammelbecken einfloss. Das verbrauchte Spül- und Schmutzwasser wurde über ein anderes Sammelbecken in die Indre geleitet und weggespült. Trotz der reinen Renaissance Bauweise sind an diesem Schloss alle Merkmale einer Festung vorhanden, wenngleich auch ohne Bedeutung. Schießscharten, Zinnen und Wehrgänge sind zwar eingebaut, diente jedoch nur der äußerlichen Verzierung und Gestaltung.

Gegründet ist das Schloss auf zehntausend Eichenpfählen, die sieben Meter in den Boden gerammt sind. Deshalb ist es unbedingt wichtig, dass der Wasserstand um das Schloss herum gehalten wird. Ginge das Wasser zurück und die Eichenpfähle gelangen an die Luft, dann würden die Pfähle zu Staub zerfallen und das Schloss zusammen stürzen. Azay-le-Rideau zählt zu den schönsten Renaissance-Schlösser des Loire Gebietes, und der ursprüngliche Name des Gebäudes leitet sich von einer alten römischen Siedlung ab, die auf einer Brandrodung entstand. Im späteren Verlauf wurden mehrere Gebäude errichtet und wieder zerstört, bis Herr Ridell die Ortschaft kaufte und mit dem Bau des Schlosses begann. Heute überzeugt das Schloss vor allem als architektonisches Denkmal begnadeter Baumeister und Künstler, die sich mit ihren filigranen Arbeiten, den Teppichen, Möbeln und Gemälden selbst ein Denkmal setzten.

Wer das Schloss betritt erreicht über die große Freitreppe als erstes das Vorzimmer oder den Warteraum. Hier hatten Besucher sich anzumelden, wenn sie den König zu sprechen wünschten. Das vorhandene Bett mag irritieren, diente aber den Wartenden als Lagerstatt, wenn sich die Wartezeit bis zum Empfang durch den König als zu lang herausstellte. Erst im 19.Jhdt. wurde es in einen Speisesaal umgewandelt, und so ist es bis heute geblieben. Wer sich für die Essgewohnheiten interessiert, dem wird das vielzählige Besteck auffallen.

Tatsache ist, dass die erste Gabel in Frankreich erst 1580 eingeführt wurde. Bis dahin war es an der Tagesordnung mit den Fingern zu essen - Daumen - Zeige- und Mittelfinger. Auch die Speise-Räumlichkeiten spielten eine eher untergeordnete Rolle. Zwar waren bestimmte Räume als Speisezimmer vorgesehen, was die Bewohner jedoch nicht daran hinderte überall dort zu essen, wo es ihnen gerade gefiel. Gespeist wurde auf Brettern oder Dielen, die von den Küchenmeistern auf hölzerne Böcke gelegt wurden. Nach dem Mahl wurde dann die Tafel im wahrsten Sinne des Wortes "aufgehoben". Aus dieser Zeit stammt der Ausspruch - die Tafel beenden oder aufheben. Alle Räume des Schlosses haben Interessantes zu bieten, so das Kaminzimmer, welches eine prachtvolle Befeuerung besitzt, geschaffen von keinem Geringeren als Rodin selbst. Da es zur Zeit der Erbauung des Schlosses noch keine Schränke gab wie wir sie heute kennen, wurde der gesamte Hausrat(Hof) von den Bediensteten in Kisten und Truhen mitgeführt. Dazu gehörten auch Kredenzen, Teppiche und Stühle, die in allen Zimmern des Schlosses recht zahlreich zu finden sind. An den Stühlen fällt uns die Sitzhöhe auf. Das hatte keinesfalls den Zweck eine mögliche Kleinwüchsigkeit des Sitzenden auszugleichen, sondern lag an den durchweg kalten Verhältnissen, die in den Schlössern herrschten. Die Räumlichkeiten wurden nur beheizt, wenn der König anwesend war. Ansonsten stand das Schloss leer, was meistens der Fall war. Wie das Schloss, so hat auch die Ortschaft Azay-le-Rideau ihren mittelalterlichen Charakter gewahrt. Ein Spaziergang ist in jedem Fall eine erlebenswerte Abwechslung und ein reizvoller Kontrast zur Üppigkeit des Schlosses.

Die Übernachtung ist Ihnen in einem Hotel Ihrer Wahl natürlich freigestellt, aber wer - nicht nur in Frankreich - mit dem Rad unterwegs ist, der wird es nach acht oder mehr Stunden auf dem Sattel zu schätzen wissen, seine strapazierten Waden am Abend in ein gutes Bett zu legen. Daher mein Rat: nehmen Sie ein Zimmer im Hotel Le Biencourt in Azay-le-Rideau.

2. Etappe: Azay-le-Rideau - Saché - Sorigny

Nach diesen Eindrücken verlassen wir Azay-le-Rideau und radeln(dringende Empfehlung wegen der Einmaligkeit) auf der D 17 in Richtung Villaine-Les-Rochers, in das Korbflechterdorf. Nach einer tüchtigen Steigung biegen wir am höchsten Punkt der D 17 rechts ab nach Villaine-Les-Rochers auf einen Radweg, der direkt in das Dorf führt. Die Ortschaft ist bekannt für Ihre erstklassigen Korbflechtwaren und besitzt eine zentrale Weidekorbflechterei, die einer Genossenschaft gehört. Dadurch können die Produkte zu besseren Preisen verkauft werden. In der Werkstatt der Genossenschaft sind ständig 5-6 Personen, meist junge Frauen oder Männer, mit der Erstellung der Korbwaren beschäftigt. In Villaine-Les-Rochers fallen uns besonders die Höhlenwohnungen auf, die vor Jahrhunderten in die Kalkfelsen geschlagen wurden. Inzwischen haben die Besitzer Häuser vor diese Höhlen gebaut, aber genutzt werden die Hohlräume noch immer als ideale Vorrats- und Lagerkammern. In Villaine existieren noch hundert Korbmacherfamilien bei eintausend Einwohnern. Fünfzig Familien bewohnen noch die zuvor erwähnten Höhlenwohnungen. Der Besitz in der Kurve am Ortsrand gehört einem Herrn Renault und ist mit die schönste Höhlenwohnung im Ort.

In Saché, das wir im Anschluss erreichen, verbrachte übrigens Honoré de Balsac fast sechs Jahre seines Lebens und schrieb unter anderem den berühmten Roman "Das Tal der Lilien". Dieser Roman ist die Beschreibung seiner Wanderschaft von Tours nach Saché, als er von Paris kommend auf der Flucht war und die Dilligence (Postkutsche) in Tours Endstation hatte. Balsac ging von Tours nach Sache zu fuß und beschrieb diese Wanderung durch das Tal der Lilien.

Durch das verwunschene Tal der Indre radeln wir flussaufwärts über Pont du Ruan, Monts uns Artannes sur Indre, wo wir in die D 84 einbiegen und eine mittlere Steigung bewältigen.

Auf der kalkhaltigen Hochebene der Touraine gondeln wir dem Ort Sorigny entgegen. Durch eine offene Feldflur mit zahlreichen Plantagen, Gärten und Gemüsekulturen führt unsere Radwanderroute, und der Garten Frankreichs, wie die Touraine auch genannt wird, präsentiert sich in paradiesischer Anmut. Am späten Nachmittag treffen wir dann in unserem Hotel La Auberge de la Mairie in Sorigny ein.

3. Etappe: Sorigny - Loches

Über einen idyllischen Radweg radeln wir durch das Tal der Indre weiter nach Veigne, wobei wir mehrmals die Indreufer wechseln. An malerischen Mühlen vorbei(eine wurde zu einer bekannten Musikschule der Region umfunktioniert), gondeln wir zunächst Indre aufwärts in Richtung Veneuil, bevor uns der Weg über Chambourg-sur-Indre nach Comery führt.

Comery geht im Ursprung auf eine keltisch-römische Siedlung zurück. Seine Bedeutung erlangte der Ort aber erst durch die Gründung der Abtei durch Karl den Großen, der hier eine Schreibschule einrichten ließ. Doch erst Alquin von York gelang die Einführung eines verbindlichen Schulsystems für ganz Frankreich, das in einigen Teilbereichen noch heute im modernen Unterrichtswesen präsent ist. Das Städtchen hat einiges zu bieten. Neben seiner historischen Architektur vor allem einen Wochenmarkt, auf dem die Bauern der Umgebung ihre regionalen Köstlichkeiten anbieten. Dabei werden Sie immer wieder auf die leckeren Macaroons stoßen, ein überaus süßes Backwerk, das an die englischen Cookies erinnert. Und in der Tat - das englische Wort Cookie (Kuchen) leitet sich ab von den französischen Macaroon, die hier in Comery erfunden wurden.

Nach diesem Abstecher in das frühe Mittelalter verlassen wir Comery, passieren die Kirche, strampeln ein wenig kräftiger bergan und fahren hinunter ins Indre Tal vorbei am Campingplatz von Courcay weiter nach Reignac-sur-Indre, wo wir in einem Restaurant für 55FF incl. Wein zu Mittag essen. Hier wird dem Radwanderer die Mitnahme von Proviant empfohlen, denn eine zünftige Rast am Ufer der Indre ist jedem Aufenthalt in einer Restauration mit solchen Preisen vor zu ziehen.

Im Anschluss daran gondeln wir auf unserem Weg weiter durch pittoreske Dörfer, queren dabei malerische Flussauen und nehmen letzte Steigungen mit Bravour. Die Ortschaften La Bruere, Les Helas und Chambourg-sur-Indre werden durchradelt, bevor es hinunter geht über die D 25 nach Ile Angers und Les Petit Maisons bis zum Chateau Loches, wo die traditionelle Stadtbesichtigung beginnt.

Loches stellt sich als eine befestigte Stadt aus dem 15.Jhdt. dar, deren Türme, Tore und Mauern teilweise bis in das 13.Jhdt. zurück reichen. Der Hauptbereich der Anlage teilt sich in Schloss, die Burg und den Bergfried mit Kerker. Der Bergfried ist vierzig Meter hoch und gilt als der größte im europäischen Burgenbau. Ein Rundgang durch die mittelalterliche Stadt ist sehr reizvoll, wenngleich die Enge der Gassen einen realistischen Eindruck des Wohnens jener Zeit vermittelt. In den verwinkelten Gässchen und Hinterhöfen trifft der Besucher auf allerlei Kunsthandwerk, Kleinstgasthöfe und Kneipen, wie sie eben nur in diesen Städtchen zu finden sind. Auch in Loches wie anderswo in der Touraine, wir die Gastlichkeit und Pflege der regionalen Küche groß geschrieben. Einen hohen Stellenwert nehmen die Weine der Region ein, die an Loire, Cher und Indre angebaut werden. Für jeden Loire Reisenden ist daher eine Verkostung - zumindest der örtlichen Rebsorten, ein unbedingtes Muss. Eine empfohlene Weinprobe - Ende offen - kann ich Ihnen in der Domaine des Menigottes in Cargé, unweit von Amboise, empfehlen.

Der Besitzer, ein Monsieur Roland Plou, hat ein sehr großes Herz, besonders für Radwanderer. Er richtet gerne eine Degustation mit allem drum und dran aus. Die genaue Information dazu erhalten Sie am Ende des Reiseberichtes.

Für diese Nacht bietet sich das Luccohotel in Loches an. Auf einem Hügel oberhalb der Stadt gelegen, genießen Sie am Abend und in der Nacht einen phantastischen Ausblick auf Loches und das Schloss.

4. Etappe: Loches - Beaulieu - Montrichard

Bei diesigem Wetter verlassen wir die Stadt Loches, in der uns am Abend zuvor noch ein schweres Gewitter heimsuchte. Es geht zügig bergan, denn die feucht-klamme Luft lässt uns kräftig in die Pedalen treten. Auf der D 760 radeln wir in die Hochflächen der Touraine hinein und haben schon bald Beaulieu-les-Loches erreicht, wo Sie die Ziegenkäserei mit anschließender Verköstigung besuchen sollten. Lassen Sie das Frühstück in Loches schmal oder ganz ausfallen, denn das urwüchsige Büffet in der Käserei ist umwerfend. Dieser kleine Abstecher am Rande der Tour ist mehr als lohnenswert. Von dort gondeln wir anschließend durch dichten, hochstämmig-alten Eichenwald, bis wir zur Rechten die Ruinen des Klosters Liget sehen, zuvor jedoch noch rechts einbiegen zur La Chapelle, die zum Klosterbereich gehört. Im 12.Jhdt. wurde diese Kapelle erbaut. Im Inneren schmücken Fresken die Wände und stellen Bilder aus dem Leben Christi dar. Die Außenwände sind mit Figuren verziert, die die Sternzeichen, die Jahreszeiten und andere Symbole repräsentieren. Erbaut wurde das Kloster mit Abtei von Heinrich II, der den Erzbischof von Canterbury, Thomas Beckett ermorden ließ. Ob es sein schlechtes Gewissen war oder einfach Kalkül und Politik, jedenfalls stiftete Heinrich das Kloster und die Kapelle und erhielt somit freie Hand für weitere Verbrechen, die er auch fleißig beging. Die Abtei geht in ihrem Ursprung auf das Jahr 1198 zurück und wurde während der Revolution verkauft und danach abgerissen. Heute sind nur noch Teile der Außenmauern erhalten, die einen Eindruck von der ehemaligen Größe geben. Wir radeln ein kurzes Stück auf der Landstraße, biegen dann links ein in die Felder, fahren über Hügel und durch Täler, vorbei an Wacholderheiden, Höhlen- wohnungen, und erreichen den Ort Genille. Hinter dem Ortsausgang geht es in eine beachtliche Steigung hinein, die uns alles abverlangt. Dafür entschädigt uns eine phantastische Fernsicht. Der Radweg führt auf die D 764, der wir nach links folgen, bis wir das Schloss Montpoupon vor uns sehen. Das Schloss selbst liegt in einer Senke und bietet einen malerischen Anblick. Es gehörte einst dem ersten Kammerdiener Franz I, der ihm das Schloss zu Geschenk machte, bzw. das Geld dazu gab. In der nächsten Ortschaft Cere-du-Ronde, einem kleinen Dorf, rasten wir im Cafe du Centre und essen Mittag für 10FF pro Person, ein Witz von Preis. Wir sind schlichtweg beeindruckt und sprach- los von dieser Gastlichkeit. Zum Nachmittag hin gelangen wir nach Bourre, wo in ehemaligen Kalksteinbrüchen die größte Champignonzucht Frankreichs betrieben wird, die 13% des Weltaufkommens an diesen Pilzen erzeugt. Zum Abend hin beziehen wir Quartier im Hotel Croix Blanche in Montrichard, gleich gegenüber der Burg.

5. Etappe: Montrichard-Chenonceau-Amboise

Wir sagen Loches auf Wiedersehen und erreichen schon bald das Maison Chissaeaux, jene Villa, in der Charles-de-Gaulle zwei Tage übernachtete, um mit den Führern der Resistance das weitere Vorgehen um die Befreiung Frankreichs zu besprechen. Über schmale Wege längs des Cher passieren wir immer wieder eine der zahlreichen Schleusen, die für den Cher charakteristisch sind. Bald schon liegt der Park und das Schloss Chenonceau vor uns. Das sich Ort und Schloss in der Endsilbe unterscheiden, ist auf die französische Revolution zurück zu führen. In dieser Zeit wurde das X kurzerhand gestrichen, um jegliche Verbindung des Adels zum Ort ein für alle Male zu tilgen. Chenonceaux wird auch das Schloss der sechs Frauen genannt, die es nacheinander in Besitz nahmen und ihm ihre jeweils ureigene Handschrift einprägten. Erbaut auf den Fundamenten einer Mühle aus dem 13.Jhdt. glich Chenonceaux zunächst einer der typischen Wasserburgen.

Nach mehreren Umbauten nahm die heutige Form im 15.Jhdt. Gestalt an, die Chenonceaux bis auf ein paar "Kleinigkeiten" bis heute beibehielt. Heinrich II schenkte es seiner Mätresse Diane de Poitiers, die jedoch nach dem Tode ihres Gönners von der Gattin des Königs, Catherine de Medici aus dem Schloss vertrieben wurde, und stattdessen das weniger idyllisch gelegene Schloss Chaumont an der Loire zugewiesen bekam. Sehenswert sind die Gartenanlagen und die Orangerie, in der alle adeligen und nicht adeligen Besitzer des Schlosses in einer Wachsfigurenausstellung dargestellt sind.

Nach der Besichtigung von Chenonceaux führt der Radweg zunächst in Richtung Bleire, bevor wir an der Einmündung nach La Roches eine kraftvolle Steigung zu bewältigen haben. Durch den dunklen Eichenforst von Amboise führt nun der Weg, und wer Appetit auf Sommersteinpilze hat, der ist im August genau richtig hier. Der Wald strotzt nur so von Prachtexemplaren, die einfach so gestochen werden können. In der regionalen Küche nehmen diese Pilze zu Wildgerichten im Herbst und Winter eine herausragende Stellung ein. Also dann - runter von den Sätteln und genüssliches Schmausen. Im Anschluss an dieses exquisite Mahl queren wir die D 81 und radeln weiter munter zu durch den prächtigen Wald von Amboise, bis wir die Massé erreichen, die dem Ort Amboise ihren Namen gab. Nun sind es nur noch wenige Pedaltritte, bis wir den Ort Chargé erreichen. Hier findet die bereits zuvor erwähnte Weinprobe statt, die alles bisher Erlebte(an Weinproben) in den allseits bekannten Schatten stellt. Ein durchschlagendes Erlebnis, denn wir mussten anschließend noch auf dem Rad sitzend oder schiebend 5 Kilometer bis Amboise fahren/gehen. Danach galt es abzuhalftern und im Hotel Le Blaison Quartier zu beziehen, wo zwei Übernachtungen angesagt sind. Die Stadt Amboise ist für einen Stadtbummel, ob bei Tage oder Nacht, geradezu prädestiniert. Das altehrwürdige Gemäuer birgt einige Geheimnisse, und wer sich in der Stadt Karls VIII ein wenig umsieht, der entdeckt die zahlreiche Hinweise auf Leonardo da Vinci, der in Amboise viele Jahre seines Lebens wirkte und der hier seine letzte Ruhestätte fand.

Amboise - Stadtbesichtigung

Die Reste des ehemaligen Schlosses geben dem Besucher einen Eindruck von der Pracht wieder, die hier unter Karl VIII zur Entfaltung kam. Hier wurde der König geboren, hier wuchs er auf, heiratete und starb schließlich in diesem Schloss, wo er sich bei einem Spiel den Kopf an einem Türbalken stieß (so behaupten es die Chroniken. Wahrscheinlicher ist, dass ihm eine seiner Mätressen beim Fangen spielen eins auf den Rüssel geklopft hat, oder er einem lange geplanten Mordkomplott zum Opfer fiel. Vielleicht war er auch nur sturzbesoffen).

Das Schloss gliedert sich in mehrere Baustile, das Mittelalter, die Spätgotik und Renaissance. Erhalten sind nur das Gebäude zur Loire hin, die Kapelle sowie zwei Türme und ein Seitenflügel. Das ehemalige Schloss Amboise war sechsmal größer als das uns erhaltene. Besonders interessant sind die beiden großen Türme, die ein Zufahrt in das Schloss von den Seiten aus mit Pferd und Wagen ermöglichten. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur einen einzigen Eingang in die Burg. Besucher mussten so fast drei Kilometer gehen oder fahren, bis sie Einlass in die Burg fanden. Zu sehen sind wieder die typischen Symbole der Könige, Lilien und Hermelinschwänze. Daneben prunkvoll ausgestattete Zimmer mit Kaminen, Truhen, Kredenzen und Teppichen, welche die Wände verzieren. Besonderes Augenmerk widmen wir der Leonardo Kapelle, jenem seitlich versetzten Bauwerk, das Leonardo zum einen selbst errichten ließ, und in dem er zum anderen bestattet ist.

6. Etappe: Amboise - Chambord

Der nächste Tag beschert uns nicht nur eine phantastische Radtour, sondern auch die Begegnung mit dem mächtigsten und größten Schloss der Loire, dem Schloss Chambord. Wir verlassen Amboise und queren zunächst die Loire, der wir sodann stromauf folgen. Über die Dörfer Poce-sur-Cisse, Fourchette und Limeray radeln wir nach Onzain, wo wir abermals das Loire-Ufer wechseln. Auf der anderen Flussseite sehen wir schon oben auf dem Bergrücken das mächtige und bedrückend wirkende Schloss Chaumont liegen. Das Gebäude gehörte zuerst Catherine de Medici, der Frau Heinrichs II. Nach dessen Tod wurde Diana des Poitiers, die Mätresse des Königs, dort einquartiert. Sie hatte das Schloss Chenonceaux am Cher zu räumen, dass ihr der König vordem schenkte. Pech für eine Geliebte, die einmal vergaß sich abzusichern. In Chaumont-sur-Loire kehren wir ein und lassen uns das Mittagsmahl schmecken. Danach heißt es wieder auf die Sättel und weiter entlang der Loire aufwärts durch eine malerische Landschaft und pittoreske Dörfer. Dann ist Blois erreicht, die ehemals königliche Residenz und Hauptstadt Frankreichs. Entsprechend ihrer Vergangenheit ist die architektonische Ausstattung. Im großen Kreisel vor Blois biegen wir auf den Radweg ein, der uns unterhalb der D 176 zu einem weiteren Kreisverkehr führt. Hier nehmen wir die nächste Ausfahrt rechts und befinden uns auf jener Straße, die uns geradewegs nach Chambord führt. Im Cafe Campagne zur Rechten legen wir letztmals eine kurze Verschnaufpause ein, bevor wir uns auf die lange Gerade nach Chambord machen. Das Schloss ist noch weit und der Juni sehr warm. An der Ampel voraus nochmals nach links abbiegen, und dann sind es noch wunderschöne 16 Kilometer, bis wir nach einer atemberaubenden, außergewöhnlich schönen Radtour das größte aller Loire Schlösser vor uns sehen.

Erbaut wurde dieses "Megaschloss" unter Franz I, der sich und damit Frankreich für die Errichtung dieses Prachtbaus hemmungslos verschuldete, was ja unter Politikern bis zum heutigen Tage Tradition hat. Chambord verfügt über 440 Zimmer und 386 Kamine, ungezählte Erker, Türme und Zinnen. Der zum Schloss gehörende Garten mit Park ist so groß, dass allein an der Mauer, die ihn umschließt, sieben Jahre gebaut wurde. Immerhin ist sie mehr als 32 Kilometer lang. In Chambord hielten sich die Könige eine eigene Falknerei mit mehr als dreihundert Vögeln, dazu Meuten mit mehreren Hundert Tieren. Der Wald ist so gewaltig in seinen Ausmaßen, dass darin Hetz- und Parforce Jagden stattfanden. Noch heute zählt der Wald von Amboise zu den herausragendsten Besitzen des französischen Staates. In Chambord ist auch gleichzeitig das Ende dieser Radtour gekommen, denn wir fahren nun mit dem Bus zurück nach Amboise, wo wir nochmals übernachten. Am nächsten Tag beginnt dann die Heimreise nach Deutschland.


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