Erst die Seele, dann der Tomograph..

Alte Menschen im Krankenhaus

 

"Gerade bei älteren Menschen ist es oft wichtiger, auf das Seelische zu achten, als sie einfach in den Tomograph zu schieben...." .

Diese Feststellung - für einige Ärzte, Pfleger und Patienten-Angehörige war es auch eine Erkenntnis - kann man als wohl wichtigste Äußerung bezeichnen, die auf einem Symposium, zum Thema "Aktuelle Konzepte der Altersmedizin", in Hamburg zu hören war. Sie zeigt, dass in immer mehr Krankenhäusern und Kliniken ein Umdenken im Umgang nicht nur mit älteren Patienten sondern auch im Umgang mit deren Angehörigen eingesetzt hat. Patient ist nicht gleich Patient. Jüngere Menschen stehen einem Krankenhausaufenthalt gelassenere gegenüber als ältere Menschen. Für die Jungen bedeutet er meist einen "vorübergehenden Aufenthalt", die Alten beschleicht nicht selten das Gefühl: "Hier komme ich nie wieder lebend raus." Oder sie haben wegen eines früheren Negativ-Erlebnisses in einem Krankenhaus Albträume angesichts der neuen, bevorstehenden Einlieferung.

Zur Kursänderung zwingt auch die demographische Entwicklung in Deutschland: in den Krankenhäusern wird es in berechenbarer Zukunft immer mehr ältere Patienten geben als junge. Ein besonderes Problem werden dabei die Demenz- bzw. Alzheimer-Patienten darstellen. Zur Zeit gibt es in Deutschland etwa eine Million Demente, in 20 bis 50 Jahren werden es doppelt bis dreimal so viele sein (falls bei der medizinischen Behandlung kein entscheidender Durchbruch gelingt.)

In seiner vertrauten, heimischen Umgebung kann ein Dementer oft noch einigermaßen gut zurechtkommen. Auf eine veränderte Situation kann er sich jedoch nicht mehr so leicht einstellen. Das erhöht den Stress - mit allen seinen negativen Begleiterscheinungen.

Dr. Claus Wächter, Chefarzt der Gerontopsychatrie am Hamburger Klinikum Nord im Stadtteil Ochsenzoll:

" Demenzkranke, die zur Abklärung einer körperlichen Erkrankung in ein Allgemeinkrankenhaus eingewiesen werden, reagieren auf die fremde Umgebung, auf beeinträchtigende Untersuchungen und verständnislose Ärzte und Pflegekräfte häufig mit Angst, Unruhe oder Wutausbrüchen."

Das Personal des Allgemeinkrankenhauses, meist nur oberflächlich mit den typischen Verhaltensweisen von Demenz-Patienten vertraut, reagiert dann seinerseits oft barsch oder befehlshaberisch. Stress entsteht auf beiden Seiten, beim Patienten kann Stress die Heilung beeinträchtigen. So entsteht wiederum Stress auch bei den Angehörigen, die sich dann nicht selten über das Personal beschweren. Ein Teufelskreis.

Dr. Wächter: "Krankenhäuser sollten sich deshalb mehr und stärker auf Besonderheiten in der Versorgung älterer und alter Patienten einstellen." Für die Praxis bedeutet das: Nicht nur das Pflegepersonal, auch die Ärzte müssen versuchen, sich in die Lage älterer Patienten hinein zu versetzen. Geriatrie und Gerontopsychatrie müssen enger und abteilungsübergreifend zusammenarbeiten. Die richtige Behandlung älterer Menschen kann oft auch erleichtert werden, wenn sich die Betreuer mit den Angehörigen kurzschließen. Denn letztere wissen über den Kranken meist mehr, als sich von einem EKG oder einer Tomographie ablesen lässt. Mehr Kommunikation ist also ebenfalls wichtig.

Bei älteren Patienten achten Arzt und Personal darauf, dass diese genug essen und trinken. Auch die Wechselwirkung von Medikamenten wird beobachtet und kontrolliert . Doch die Psyche kommt (meistens noch) zu kurz. Pfleger(in) ist nicht nur ein Beruf, sondern sollte auch Berufung sein. Der Vorschlag eines deutschen Politikers, Sozialhilfeempfänger zum Pflegedienst abzustellen, macht deshalb wenig Sinn. Es genügt nicht, einen Verband wechseln zu können oder eine Bettpfanne zu schwenken. Was Patienten, vor allem ältere, in erster Linie brauchen, ist menschliche Zuwendung.

Dr. Werner Hofmann, Chefarzt der Geriatrie am Klinikum Nord:

"Ein Pfleger oder auch ein Arzt kann ruhig einmal einen Patienten in den Arm nehmen, oder auch Bezugspersonen des alten Menschen in dessen Behandlung mit einbeziehen."

Das heißt: Angehörige eines Kranken sollen im Krankenhaus bei seiner Betreuung und Versorgung mithelfen dürfen - nicht auf medizinischem, wohl aber auf pflegerischem Gebiet. Doch hier steht man in vielen Krankenhäusern noch so da wie vor 20 oder 30 Jahren in der Kindermedizin.

Dr. Wächter: "Angehörige werden leider vom Personal oft immer noch zu häufig als störend empfunden. " Und: "Wir haben eine medizinische Überversorgung zu Lasten der menschlichen Versorgung."

Im Orient, in Asien oder in Russland verbringen Familienangehörige eines Kranken oft den Tag oder auch die Nacht an seinem Bett verbringen. Das mag übertrieben sein oder an mangelndem Pflegepersonal liegen. Doch inzwischen wächst auch in westlichen Medizinerkreisen die Erkenntnis, dass dieses "rooming in" die Genesung eines Kranken beschleunigen kann - da es den Stressfaktor abbaut. Manche Krankenhäuser, nicht nur in Hamburg, lassen den Ehepartner eines älteren Patienten für eine möglichst geringe Gebühr mit im Zimmer des Kranken wohnen, inklusive Frühstück, sofern die medizinischen Umstände und Raumverhältnisse es zulassen.

Der Partner kann viele kleine Wünsche des Kranken erfüllen, und dadurch auch das krankenhauseigene Pflegepersonal entlasten. Er kann dem Kranken vorlesen, ihn füttern und liebevoll umsorgen. Vor allem aber kann er einem alten Menschen das Gefühl der Einsamkeit nehmen, das Gefühl, von allen verlassen worden zu sein. So wird auch die Gefahr einer Depression verringert, der häufigsten psychischen Störung im Alter. Sie stellt das höchste Suizidrisiko dar. Von demjenigen, der alleine oder unter Fremden im Krankenhaus liegen muss, wird eine Depression als doppelt schlimm empfunden.

Ältere oder alte Patienten, so die Beobachtung, sind oft auch nicht mehr in der Lage, berechtigte Forderungen beim Pflegepersonal durchzusetzen oder sich gegen etwas zu wehren. Wenn sie etwas erzählen, so möchten sie, dass man ihnen zuhört. Geschieht das nicht, so kommen sie oft zu dem Schluss: Man hört mir nicht zu, weil ich alt bin. Dieses Gefühl der Schwäche und Unterlegenheit kann eine Depression ebenfalls verstärken und die Heilungschancen reduzieren. Auch hier sollten sich Angehörige deshalb mehr engagieren - ohne die traditionsbedingte Scheu vor dem Arzt.

Nächst der Depression bei Menschen über 65 - erst recht bei Alzheimer- oder Demenzkranken - ist die Sturzgefahr ein großer Risikofaktor. Nicht selten stürzen ältere Patienten im Krankenhaus, in das sie wegen einer anderen Erkrankung eingeliefert wurden. Viele ältere Patienten haben deshalb Angst, alleine im Zimmer oder auf dem Flur auf und ab zu gehen. Ist kein Angehöriger da - das Pflegepersonal hat für "Spaziergänge" kaum Zeit - dann bleiben sie lieber im Bett liegen. Es ist aber gerade das Aufstehen und die Bewegung, die für ältere Menschen so wichtig sind, um möglichst schnell - buchstäblich - wieder auf die Beine zu kommen. Um festzustellen, wie groß das Sturzrisiko bei einem älteren Menschen ist, wurden verschiedene Tests entwickelt, die sich auch zuhause mit Hilfe einer "standfesten", also jüngeren Person durchführen lassen.

Im Gespräch ist bereits, dass Krankenhäuser, in denen man sich besonders aufmerksam, sprich: auch um das seelische Wohl der Patienten kümmert - ein Gütesiegel erhalten sollen. Dies müsste auf politischen Druck von Seiten der Patientenangehörigen erfolgen, so ein Hamburger Krankenhausdirektor.

Eine andere Möglichkeit für Patienten und Angehörige, dem Pflegepersonal einer Station seinen Dank für eine gute Betreuung auszudrücken, besteht dagegen schon lange. Das ist ein Beitrag für die so genannte "Kaffeekasse". In manchen Krankenhäusern ist sie zwar verboten, in anderen steht sie, für Besucher nicht sichtbar, in einer sicheren Ecke (da es wiederholt zu Diebstählen seitens von Besuchern gekommen ist). Angehörige eines auf der Station betreuten Kranken sollten sich deshalb nicht scheuen, eine Schwester oder einen Pfleger nach der Kaffeekasse zu fragen, um ihr Scherflein für das nächste Stationsfest beizusteuern.

Im Jahr 2000 wurden - auf grund der Erfahrungen fünfjähriger enger Zusammenarbeit - geriatrische und gerontopsychiatrische Abteilung des Klinikum Nord in Hamburg-Ochsenzoll zum "Zentrum für Ältere" zusammengeschlossen.

Fachleute für Alterspsychiatrie arbeiten hier Hand in Hand mit Fachleuten für altersbedingte, körperliche Erkrankungen. Patienten, bei denen Doppel-Diagnosen vorliegen (körperliche und seelische Erkrankungen gleichzeitig) sowie deren Angehörige werden hier beraten. Neben der stationären Behandlung umfassen die Therapieangebote für Ältere eine Memory-Klinik, eine geriatrische Tagesklinik und eine gerontopsychiatrische Tagesklinik.

Vorbildeinrichtung war das britische Department of Health Care of the Elderly in Nottingham. Mittlerweile gibt es weitere, ähnliche Projekte in Deutschland, u.a. am Berliner Großklinikum Vivantes sowie das Zentrum für Altersmedizin in Nürnberg.


Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch EPS-Schäffler / Körner / J. Heuer

Text: © Ermasch - Presse - Service, Schäffler / Schäffler / C. C. Troebst
Fotos: © EPS-Schäffler


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Layout und Gestaltung: Andreas Schefisch 04.05.2009