BONE-EVA Studie: Kosten der Osteoporose in Deutschland Unterversorgung belastet Patientinnen und Patienten sowie das Gesundheitssystem |
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Osteoporose-Patienten werden in Deutschland nicht adäquat behandelt. Das ist das Ergebnis der in Berlin vorgestellten BONE-EVA Studie, die zum ersten Mal ein vollständiges Bild der Epidemiologie, Therapie und der Kosten der Osteoporose in Deutschland zeichnet. Danach werden weniger als 10 Prozent der Osteoporose- Patienten mit Bisphosphonaten behandelt, dem geltenden Therapiestandard. Folge der gravierenden Unterversorgung sind mehr als 300.000 Knochenbrüche jährlich und damit verbunden Krankheitskosten in Höhe von 5,4 Mrd. Euro. "Osteoporose gehört damit zu den teuren Volkskrankheiten wie Diabetes oder ischämische Herzkrankheiten, für die jährlich 5,1 bzw. 7 Mrd. Euro ausgegeben werden", wie Professor Dr. Bertram Häussler, Direktor des IGES im Rahmen der Pressekonferenz in Berlin berichtet. Die Studie wurde vom Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) auf der Basis von Daten der Gmünder ErsatzKasse (GEK) mit mehr als 1,5 Millionen Versicherten erarbeitet. Einbezogen wurden ferner Abrechnungsdaten des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) sowie Daten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), die Informationen über Pflegeleistungen geben. Betroffen sind nach Angaben von Häussler vor allem Frauen (6,5 Millionen). Männer leiden deutlich seltener unter Osteoporose (1,3 Millionen). Die Häufigkeit der Knochenerkrankung nimmt mit dem Alter zu und steigt jenseits des 75. Lebensjahres auf 59 Prozent. Die Osteoporose ist nach Häussler ein eindeutiger Risikofaktor für Knochenbrüche. Die BONE-EVA-Studie bestätigt das. Allein im Jahr 2003 wurden 333.322 Frakturen infolge einer Osteoporose registriert. Häufigste und auch kostenintensivste Fraktur ist die Hüftfraktur, die mehr als 99.000 Mal diagnostiziert wurde. Bei der Therapie zeigen sich massive Versorgungsdefizite Als "besorgniserregend"bezeichnet Professor Dr. Gerd Glaeske, Projektleiter undHerausgeber des GEKArzneimittel-Reports, die Therapiesituation. So erhielten nur 21,7 Prozent derPatienten eine gezielte Medikation gegen die Osteoporose. 16,7Prozent wurden mit der Basismedikation aus Kalzium und Vitamin D behandelt odererhielten wenigstens eine der beiden Substanzen. Gerade einmal 9,5 Prozent der Patienten bekam ein Bisphosphonat verordnet. Sehr hoch war laut Prof. Häussler (im Bild links) der Konsum von Schmerzmitteln(Analgetika), die neun von zehn Patienten von ihrem Arzt erhielten. Diese Daten zeigen, dass die medikamentöse Versorgung der Osteoporose in Deutschland verbesserungsbedürftig ist. "Hier können die Leitlinien Abhilfe schaffen, deren Sinn und Zweck die Optimierung der Behandlung von Menschen mit einer Osteoporose oder einem hohen Frakturrisiko ist", betont Prof. Dr. Ludger Pientka (im Bild rechts) aus Bochum. Kostentreiber sind vor allem die Frakturen Die Osteoporose ist mit einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung verbunden. Sie verursachte nach dem Ergebnis der BONE-EVA-Studie 2003 Kosten in Höhe von 5,4 Milliarden Euro, wobei 56 Prozent der Kosten auf die stationäre Versorgung entfielen. Die Krankheitskosten sind direkt mit Frakturen assoziiert. So zeichneten die Patienten, die einen Knochenbruch infolge der Osteoporose erlitten (4,3 Prozent), für 61,3 Prozent der Gesamtkosten verantwortlich. Wie teuer ein Knochenbruch die Krankenkassen zu stehen kommt, macht ein direkter * Die Studie wurde unterstützt von der Hoffmann-La Roche AG und GlaxoSmithKline Vergleich deutlich: Die durchschnittlichen Aufwendungen pro Patient mit Osteoporose lagen ohne Knochenbruch bei 281 Euro jährlich, die Aufwendungen für Patienten mit Knochenbruch hingegen bei durchschnittlich 9.962 Euro. Die BONE-EVA-Studie belegt, dass die Osteoporose eine Erkrankung ist, die in Deutschland zu selten und zu spät diagnostiziert wird und bei der die Therapie alles andere als optimal ist. Die Unterversorgung bürdet dem Gesundheitssystem nicht zuletzt durch die Folgekosten bei Frakturen erhebliche Belastungen auf. In den kommenden Jahren wird aufgrund des demographischen Wandels die Zahl der Betroffenen weiter steigen. Aufklärung über Prävention, eine frühzeitige Identifizierung und eine konsequente, leitliniengerechte Behandlung der Patienten sind daher dringend nötig. Statement Prof. Dr. rer. nat. Gerd Glaeske
Unterversorgung und Qualitätsdefizite in der Osteoporose-Behandlung In den letzten Jahren ist die Osteoporose schon deshalb stärker als zuvor in das Blickfeld gerückt, weil die bislang breit angewendete übliche Therapie mit Hormonpräparaten zur Behandlung von Beschwerden in und nach den Wechseljahren wegen der bekannt gewordenen Risiken bei einer Langzeiteinnahme (Erhöhung des Risikos von Brustkrebs, Herzinfarkt und Schlaganfällen) nicht mehr zur Osteoporoseprophylaxe angewendet werden sollte. Viele Frauen im Alter von über 60 Jahren bekommen zwar nach wie vor solche Hormone – unter den weiblichen Versicherten der Gmünder ErsatzKasse (GEK) über 70 Jahre (!) immerhin noch 18 % -, dennoch werden mehr und mehr evidenzbasierte Alternativen zu den Hormonen verordnet, bevorzugt Calcium- und Vitamin-D3-haltige Präparate sowie Bisphosphonate. Zu Lasten der GEK wurden in den ersten drei Quartalen des Jahres 2003 noch 11.607 Rezepte mit Bisphosphonaten ausgestellt, Wert 2,3 Mio. Euro, im gleichen Zeitraum des Jahres 2004 waren es bereits 14.893 Packungen zu 2,5 Mio. Euro und in den ersten 10 Monaten des Jahres 2005 kamen schon 17.420 Packungen zusammen, Ausgaben für die GEK 3,1 Mio. Euro – Steigerungen insgesamt von 46 % bei den Packungsmengen und 33 % bei den Ausgaben innerhalb von 3 Jahren. Der Frauenanteil in der GEK stieg in diesem Zeitraum gerade einmal um 12 %. Diese Entwicklung ist auch in der Gesamt-GKV zu beobachten: Dort ist ein stetiger Anstieg der Bisphosphonate zu verzeichnen: 2001 waren es noch 65 Millionen Tagesdosierungen (DDDs), drei Jahre später im Jahre 2004 bereits 129 Mio. DDDs und damit die doppelte Menge. Die Calcium-Verordnungen sanken im Jahre 2004 übrigens drastisch ab, weil diese nicht-rezeptpflichtigen Mittel nur noch in Ausnahmefällen für Erwachsene verordnet werden dürfen. Die Menge der verordneten Bisphosphonate reicht rein statistisch aus, um etwa 350.000 Menschen ausreichend und dauerhaft zu behandeln, die Kosten hierfür lagen im Jahr 2004 übrigens bei 283 Mio. Euro. Behandlungsbedürftig sind sicherlich deutlich mehr Frauen als Männer. Einige Untersuchungen zuvor und nun auch die hier vorgestellte BONE-EVA-Studie haben gezeigt, dass eine solche Therapie kosteneffizient ist, weil hierdurch osteoporosebedingte Brüche, vor allem am Schenkelhals und an der Wirbelsäule, vermieden werden können, die zu erheblichen Folgebelastungen für die Patientinnen und Patienten sowie für die Kassen führen. Abgesehen davon, dass mit diesen Brüchen auffällig hohe Mortalitäts- und Pflegerisiken verbunden sind, kommt es z. B. in 100 % der Schenkelhalsfrakturen zu oftmals langwierigen Krankenhaus- und Rehabilitationsbehandlungen. Mit Arzneimitteln aus der Gruppe der Bisphosphonate lassen sich Ausgaben für solche Behandlungen zum großen Teil einsparen, daher sollte auch an ihrer Verordnung nicht gespart werden – mit Arzneimitteln, nicht an Arzneimitteln sparen lautet in diesem Bereich die Empfehlung. Dies ist auch der Grund, warum sich eine Krankenkasse wie die GEK bei der Verbesserung der Versorgungsqualität engagiert: Wenn Qualität und Effizienz zusammenkommen, ist ein wichtiges Ziel in der Therapie erreicht. Noch werden aber längst nicht alle Patientinnen und Patienten ausreichend behandelt, es ist vielmehr von einer Unterversorgung auszugehen, die noch zusätzlich mit Anwendungsproblemen einhergeht. Die Daten der GEK zeigen, dass nur 24 % der Frauen und 12 % der Männer überhaupt osteoporotisch-typische Arzneimittel bekommen, der Anteil der Bisphosphonate liegt nur bei 10 % für Frauen und 8 % der Männer, obwohl gerade für diese Arzneimittelgruppe eine Reihe von Studien vorliegt, die den Nutzen und die Zuverlässigkeit der Wirkung zeigen. Beklagt wird allgemein eine mangelnde Adhärenz in der Bisphosphonattherapie, also eine ungenügende Kontinuität in der Einnahme, die sicherlich auch aus einem mangelnden Krankheitsbewußtsein und einer geringen Wahrnehmung der Therapieeffekte herrührt. Hinzu kommt, dass diese Mittel viel Aufmerksamkeit bei der Einnahme verlangen (nur mit Leitungswasser, im Stehen, auf nüchternen Magen, mindestens 30 Minuten anschließend nicht hinlegen usw.), die leider durch eine z. T. mangelhafte Beratung in Apotheken nicht gerade geschärft wird. Insofern wird die Effektivität der Mittel geschwächt, was auch deshalb problematisch ist, weil das Frakturrisiko durch Non-Compliance ansteigt. Wenn dann noch als Ergebnis der Datenauswertung festgestellt werden muss, dass 51 % der Patienten die tägliche Bisphosphonattherapie nach der ersten Verordnung abbrechen, wird das ganze Problem des Defizits in der Behandlung deutlich. Wir brauchen daher dringend eine bessere Berücksichtigung der vorhandenen Therapieempfehlung, die vor allem die Verringerung der Frakturrate zum Ziel hat. Wir müssen die Patientinnen und Patienten besser über den Nutzen dieser Therapie informieren, damit die Bisphosphonate und andere Osteoporosemittel sorgfältig und kontinuierlich eingenommen werden. Und wir müssen die Krankenkassen darin bestärken, eine solche evidenzbasierte und effiziente Therapie zu fördern, weil damit erhebliche Folgekosten eingespart werden können. Voraussetzung ist allerdings eine sorgfältige und an Risikofaktoren orientierte Diagnostik und eine adäquate Therapie – beides wird sich letztlich zugunsten der Patientinnen und Patienten und zugunsten des Gesamtsystems auswirken. Kontakt:
IGES Institut für Gesundheit- und Sozialforschung Wichmannstr. 5 10787 Berlin www.iges.de Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch EPS-Schäffler / Körner / K. W.VickTextzusammenstellung: © Ermasch - Presse - Service, Schäffler / Schäffler |