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Sie gehören nicht zu den fünf bis acht Millionen Menschen in Deutschland, die an Diabetes leiden? Dann können Sie sich glücklich schätzen. Wenn Sie auch nicht zu den Zuckerkranken zählen die mittels einer Sonde ernährt werden müssen, dann sind Sie ein wahrer Glückspilz. Ansonsten könnte es Ihnen passieren, dass Ihnen die Sondenernährung durch die Kassen gestrichen wird. Da Sie sich nicht in der Lage sind sich auf normalem Weg zu ernähren, werden Sie langsam aber sicher verhungern es sei denn, Sie oder Ihre Angehörigen sind finanziell gut ausgestattet, um die Sondenernährung langfristig aus eigener Tasche zu bestreiten. Dieses Szenario könnte durchaus Wirklichkeit werden, wenn die Krankenkassen ihr Vorhaben umsetzen und die Diabetes-Sondennahrung aus dem Erstattungskatalog nehmen. Das Gros der Betroffenen, die Schlaganfall- und Komapatienten, sieht düsteren Zeiten entgegen, sollten sich die Krankenkassen mit ihrem Vorhaben durchsetzen. Gegen diese Absicht ziehen namhafte Fachärzte und der VKVD – Verband der Krankenversicherten Deutschlands e.V. ins Feld. Es darf auf keinen Fall geschehen, dass die Streichung der Spezialnahrung bei schwer kranken Diabetikern Realität wird. Das würde die optimale Versorgung dieser Menschen in unverantwortlicher Weise gefährden, so der Präsident des VKVD, Heinz Windisch. Selbst wenn man die Bedeutung dieser Maßnahme für den Patienten außen vorlässt, stellt sich daraus die menschlich-ethische Frage und zum anderen muss hinterfragt werden, welcher volkswirtschaftliche Aspekt dahinter steckt. In Deutschland sind derzeit rund 100 Tausend Menschen auf Sondenernährung angewiesen, eingeschlossen jene 17 Tausend Diabetiker, die als Pflegefälle oder Komapatienten betreut werden. Der finanzielle Aufwand pro Patient pro Tag bei der Sondennahrung beträgt etwa sechs Euro. Diese spezielle Nahrung trägt wesentlich mit dazu bei, den Betroffenen optimal auf seine individuelle Insulindosis einzustellen. Im Falle der Streichung droht diesen Menschen nicht nur der Hungertod, die finanzielle Belastung der Kassen durch Notarzteinsätze, stationäre Aufenthalte und anderes wäre über das Jahr gerechnet um ein Vielfaches höher, als die Beibehaltung der Erstattung für diese Nahrung. Letztlich ist eine Abschaffung der Grundernährung für Diabetiker skandalös und würde die Unverletzlichkeit des Lebens mit Füssen treten, so Prof. Dr. Berthold Koletzko, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Menschen, die krankheitsbedingt unfähig sind selbst zu essen, sind therapiebedürftig. Bestimmte Erkrankungen verlangen halt nach bestimmten Nahrungen und entsprechender Zufuhr, was eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall einschließt. Hier sind ausschließlich jene Menschen betroffen, die ambulant oder in Pflegeheimen versorgt werden. Eine Mangelernährung spart letztendlich keine Kosten, sondern erhöht den Aufwand, da Risikopatienten einen längeren Pflegeaufwand zum einen und eine längere Intensivlage zum anderen erfordern, führte Koletzko aus. Diabetikernahrung unterscheidet sich schon durch ihren Namen von der Standardnahrung, die gesunde Menschen aufnehmen können. Es handelt sich hierbei um eine spezielle Form der Nahrung, die auf die Stoffwechselerkrankung des Patienten zugeschnitten ist. Daher ist es wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, dass diese Verordnung per Federstrich entfernt werden soll. Dadurch sind nicht nur die Diabetiker sondern auch die Nahrungsmittelhersteller direkt betroffen, die sich mit großem Aufwand – auch im Bereich der Forschung – auf die Produktion dieser ganz besonderen Ausnahmenahrung spezialisiert haben. Zum volkswirtschaftlichen Schaden käme noch der betriebswirtschaftliche Garaus, denn letztendlich stellt der Spezialnahrungsmarkt auch einen hohen geldmäßigen Wert dar, führte Dr. Peter Stehle, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in seinem Vortrag an. Unter den sondenernährten Diabetikern stellt die Gruppe der 75 – 80 jährigen die am stärksten gefährdeten Patienten dar. Anders als bei etwa 50 jährigen sind die ältesten Menschen zusätzlich gefährdet durch Akutkomplikationen, was eine ganz besondere Therapie verlangt. So ist festzustellen, dass nicht jeder durch Sonde ernährte Diabetiker diese spezielle Sondenkost benötigt. Allerdings kann es bei Betroffenen, die mit normaler Sondenkost Probleme wegen ihres Blutzuckers haben zu einer Verordnung der speziellen Sondenkost kommen, um eine zufriedenstellende Einstellung des Blutzuckers zu gewährleisten, sagte Dr. Jürgen Bauer von der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie am Klinikum Nürnberg. Diesen Ausführungen schloss sich auch Dr. Peter Mayr, niedergelassener Arzt und Diabetologe DDG aus Stockach an. Sondennahrung für betroffene Diabetiker ist zwingend notwendig, da bei älteren Menschen oder Pflegefällen (intensiv) oftmals keine genaue Einstellung der Werte vorgenommen wird. Das liegt weniger an der Eignung des Personals sondern am Zeitdruck, denen die Mitarbeiter ausgesetzt sind. Zudem sind einige Patienten gar nicht mehr in der Lage sich verbal mitzuteilen, um so auf ihren Zustand aufmerksam zu machen und werden so zum Schwerstpflegefall. Um eine bessere Einstellung des Zuckerspiegels zu erreichen, ist der Beibehalt der Verabreichung von Diabetes-Sondennahrung unbedingt erforderlich. Gerade ambulante Patienten benötigen eine sichere Einstellung, um nicht zum Dauerpflegefall zu werden, referierte Mayr. Mit Blick auf unsere Nachbarländer, wo schon seit Jahren diese Therapien nicht mehr erstattet werden, geht man offensichtlich den Weg der Selektion, und lässt die Erkrankten sterben, im Klartext heißt das – sie verhungern, langsam aber sicher. Oftmals ist die Verwandtschaft nicht bereit oder gar nicht in der Lage der Erkrankten zu pflegen oder für seine Pflege aufzukommen. Somit sind diese Pflegefälle zum Verhungern verurteilt, oftmals bei vollem Bewusstsein. In diesem Zusammenhang stellt sich eine ethische Frage von größter Komplexität. Auf der einen Seite steht der ärztliche Auftrag Leben zu erhalten, auf der anderen Seite wird der behandelnde Arzt durch Krankenkassenverordnung zum Scharfrichter für den Pflegebedürftigen. Ein großer Konflikt bahnt sich an zwischen Ärzten und Gesetzgeber und es ist zu hoffen, dass dieser Konflikt nicht auf dem Rücken der betroffenen Patienten ausgetragen wird, führte Prof. Dr. Hans Hauner, Lehrstuhl für Ernährungsmedizin Uni München aus. Heinz Windisch, Präsident des VKVD (Verband der Krankenversicherten Deutschlands e.V.) zitierte die Aussagen eines ärztlichen Kollegen der besonders krass formulierte: „Die kontinuierliche Streichung von Verordnungen auf dem Rücken der Patienten und Versicherten kann man durchaus mit sozialverträglichem Frühableben gleichsetzen. Wer nicht in der Lage ist sich da selbst zu helfen (Pflegefälle), hat ganz schlechte Karten.“ Windisch wies argumentativ auf die Vorteile der Sondennahrung hin. So erfolgt der Blutzuckeranstieg wesentlich langsamer, was einen geringeren Verbrauch an Insulin erfordert. Betriebswirtschaftlich bedeutet das für die Krankenkassen weniger Ausgaben. Es sei kaum vorstellbar, dass diese Tatsache noch nicht bis in die Chefetagen der Krankenkassen vorgedrungen ist. Darüber hinaus ist ein wesentlich stabilerer Zuckerverlauf möglich, was besonders wichtig für Patienten ist, die sehr labile Blutzuckereinstellungen aufzeigen. Heinz Windisch geißelte außerdem das Unvermögen des Gesundheitssystems, das im Grunde ein Krankheitssystem ist, wo viel Geld für sinnlose Maßnahmen vergeudet wird, das an anderer Stelle dringend benötigt wird. Als Beispiel nannte Windisch die Anreicherung mit Folsäure. Um dies tatsächlich zum Wohle der Menschen durch zu setzen, war ein zwanzig Jahre währender Kampf nötig. So ist sich Windisch sicher, dass das System in der heutigen Form kollabieren wird, sollte es nicht grundlegend geändert werden. Das ist aber nur möglich, wenn sich die Denkweise in den Krankenkassen ändert. Hier wird immer noch nach dem Prinzip der Erbsenzählerei verfahren, geprägt vom Ausblick auf ein Geschäftsjahr. Andererseits muss sich das Anspruchsverhalten grundlegend ändern. Letztlich darf aber die Entscheidung über das Für und Wider zur Sondenernährung nicht zu Lasten der Betroffenen gehen. Leider ist es so, dass in den Ausschüssen die darüber beraten nicht unbedingt Fachleute sitzen, die etwas von der Materie verstehen, was den Annäherungsprozess spürbar erschwert. So ist die Frage im Ansatz zu klären, ob Sondenernährung eine Grundversorgung ist weil sie das Leben erhält oder lediglich eine Therapieform. Im ersteren Fall ist sie unabdingbar, im zweiteren Fall kann sie abgesetzt werden. Ersatzvornahme Sondennahrung ist ein Nahrungsergänzungsprodukt, eine Nahrung für spezielle Erkrankungen. Diese wird in flüssiger Form verabreicht. Der Einsatz erfolgt dann, wenn der Patient krankheitsbedingt unfähig ist zur Selbsternährung. Dann muss der Arzt eine entsprechende Therapie ansetzen, um dem Patienten die Grundversorgung zu garantieren, wobei sich der Arzt jedoch auf das medizinisch Notwendige beschränkt. Um genau festzustellen welchen Einfluss die Spezialnahrung auf den Blutzucker des Betroffenen hat, beginnt zunächst die Ernährung mit Standardnahrung bis feststeht, was wirklich notwendig ist. Danach kann der behandelnde Arzt entscheiden, ob eine Spezialnahrung verabreicht wird, wenn die Aussicht auf eine positive Entwicklung des Blutzuckers gegeben ist. Dieser Nachweis ist jedoch schwerlich zu führen, da es dazu langjähriger Studien bedarf. So hängt die Forschung auf diesem Gebiet unmittelbar mit dem Wegfall der Spezialnahrung zusammen; keine Spezialnahrung – keine Forschung. Gesamtbetrachtet bietet die Sondennahrung dem Pflegebedürftigen Diabetiker durchaus die Möglichkeit der Pflege in heimischer Umgebung. Angehörige sind ohne weiteres in der Lage diese Arbeiten zu erledigen. Dies setzt allerdings auch die Bereitschaft des Patienten voraus, sich auf diese neue Lebensform einzustellen. Fazit Die Sondennahrung ist auf jeden Fall als Option offen zu halten (Kassenersatz). Jeder Arzt muss das verordnen können, was dem Wohle des Patienten dient und was er benötigt. Dies gilt besonders mit Blick auf die individuelle Situation der sozial Schwächeren Mitglieder der Bevölkerung. So stellt sich aus verständlichen Gründen die Frage nach Wirkung und Nebenwirkung, die sich aus einer möglichen Streichung der Verordnung Sondennahrung ergibt nämlich, welches Maß an Grundversorgung ist den sozial Schwachen noch gegeben? Im Grunde ist es ganz einfach; Ernährung ist eine präventive Maßnahme plus Therapie, um die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen zu erhalten. Demgemäss verabschiedeten die genannten Ärzte und der Präsident des VKVD eine Resolution, wonach die Diabetes-Sondennahrung eine Krankenkassenleistung bleiben muss. Die Krankenkassen ignorieren die vorliegenden Erkenntnisse und Tatsachen und wollen die Erstattung von Trink- und Sondennahrung aus dem Maßnahmenkatalog herausnehmen. Die Forderung geht daher an den gemeinsamen Bundesausschuss und an das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung dafür Sorge zu tragen, dass die Diabetesspezialnahrung in der Sondenernährung als Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen erhalten bleibt. Die aufmerksam und angeregt an der Diskussion teilnehmenden Fachjournalisten waren vom Vorhaben der Gesetzlichen Krankenkassen sichtlich bewegt und befragten auch nach Ende des Presse Talks die Referenten nachhaltig. Internet: Verband der Krankenversicherten Deutschlands e.V. |
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Schäffler, Hans Joachim Rech |