Landarzt aus Leidenschaft |
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Da sind fünf bis acht Termine pro Tag durchaus die Norm. Ohne Automobil ist das nicht zu schaffen, denn ein Landarzt versorgt medizinisch meist mehrere Dörfer oder Gemeinden im ländlichen Raum. Da heißt es präsent sein, auf dem Quivive, im wahrsten Sinne des Wortes allzeit bereit. Schließlich vertrauen die Patienten ihrem Doktor, und wenn Nachts um zwei der herzkranke Patient x oder die gehbehinderte Patientin y einen Notruf absetzt, kann sich der Doc nicht im Bett umdrehen, sich auf sein Recht auf Nachtruhe berufen. Und das zu jeder Jahreszeit. Landärzte sind jedoch weitaus mehr als "nur" Mediziner; sie sind Seelentröster, Beichtväter und Mütter, Berater in Lebensfragen und – sie sind nicht selten die einzigen Freunde und Ansprechpartner, die den Alleinstehenden Patienten draußen auf dem Land geduldige Zuhörer, den kleinen Patienten Spielkameraden und den Praxispatienten Arzt und Helfer in oftmals schwierigen Lebenslagen sind. Die Herzlichkeit der Menschen in den Dörfern auf dem Lande ihrem Doktor gegenüber ist sprichwörtlich. Der Mann ist bekannt wie ein Filmstar, dabei aber bescheiden ohne jegliche Allüren. Das Patientenblatt erhält an diesem Tag weitere Eintragungen, alles handschriftlich vom Doktor selbst. "Eine Sprechstundenhilfe zu Hausbesuchen mitnehmen – dann müsste ich die Praxis schließen. Undenkbar. Und eine zweite Hilfe kann ich mir nicht leisten. So sieht es in der Realität aus." Und schon steht er wieder ganz seiner Patientin zur Verfügung, erklärt behutsam und bedächtig die Wirksamkeit der Medikamente, reagiert gelassen auch auf mehrmaliges Nachfragen und verpasst – da er nun schon mal im Hause ist, ihrem Sohn gleich eine Auffrischungsspritze in den Allerwertesten. Und er empfiehlt auch stationäre Behandlung, wenn er es für die Gesundheit seiner Patienten angebracht erscheint. "Landarzt sein bedeutet auch auf unterschiedliche Situationen richtig zu reagieren. Ein Mensch, dem ich durch meine Arbeit zu ein wenig mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden verhelfen kann, ist für mich so was wie ein Lottogewinn." Apropos Gewinn, wie reich wird man eigentlich als Landarzt, sei an dieser Stelle abschließend gefragt. "Unendlich reich an Gefühlen und seelischen Zuwendungen. Die sind mit allem Geld und Gold der Welt nicht aufzuwiegen". Doch von Gefühlen und seelischen Zuwendungen allein kann weder ein Landarzt, noch die Sprechstundenhilfe leben. Es geht auch bei noch so viel Passion, Idealismus und Berufung in letzter Konsequenz um Bares, um die Knete. Abgerechnet wird nach Punkten, die werden von den Kassen vergeben, nach einem festgelegten System. Für einen Hausbesuch kommen rund 400 Punkte zusammen, der Punkt für 3,5 Cent. Macht nach Adam Riese 14 Euro. Bei fünf bis acht Hausbesuchen am Tag summiert sich das auf 70 bis 112 Euro – brutto. Davon sind zu zahlen das Kraftfahrzeug, die Sprechstundenhilfe, die eigenen zusätzlichen Aufwendungen und die Steuer. Was da übrig bleibt kann sich jeder selbst ausrechnen. Alles aus Leidenschaft.
Nach der eigenen Zukunft und seinem möglichen Nachfolger befragt macht der Doc ein nachdenkliches Gesicht. Die haben dann erhebliche Fahrtstrecken zu bewältigen oder können sich gleich stationär einweisen lassen, weil ihnen das Geld für die anfallenden Fahrten fehlt. Als erste blieben die Alten auf der Strecke, bei denen die Rente oftmals nur zum Überleben reicht. Was bleibt mir letztlich für eine Wahl, wenn sich kein Nachfolger findet? Ich möchte auf meine alten Tage den verdienten Ruhestand genießen. Das ist doch nur verständlich. Andererseits kann ich meine Patienten nicht im Stich lassen. Solange es die eigene Gesundheit zulässt, werde ich für sie da sein. " Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch EPS-Schäffler / Körner / Hans Joachim RechTextzusammenstellung: © Ermasch - Presse - Service, Schäffler / Hans Joachim Rech |