Luciano Favaron

- Hamburgs singender Automechaniker

Die Straße "Nedderfeld" im Hamburger Stadtteil Lokstedt wird von Eingeweihten auch "die Automeile" genannt. Fast alle bekannten In- und ausländischen Marken sind hier zu besichtigen oder zu kaufen, neu oder gebraucht - in großen, modernen Ausstellungsräumen.

Nur am Anfang des Nedderfeld, in Höhe der Hausnummer 15, sieht es etwas bescheidener aus: Autosattlereien, Lackier- und Reparaturwerkstätten, es riecht nach Benzin und Schmierstoffen.

Doch wer sich an Wochenenden zu vorgerückter Stunde hierher verirrt - der kann dann in einem Hinterhof statt Hämmern oder dem Zischen von Schweißbrennern italienische Opernarien, neapolitanische Volkslieder oder zeitgenössische italienische Schlager hören.

Manchmal liegt der Duft von Pizza, von Salami und anderen kulinarischen Köstlichkeiten in der Luft. Die kommen jedoch nicht aus einem Restaurant - sondern aus der Halle von Luciano Favaron (47), Spezialist für italienische Sport- und Tourenwagen - vom Lamborghini bis zu den feuerroten Ferraris. Luciano, ein quirliger, umtriebiger Mann, bewirtet gerade seine Freunde. Man sitzt an langen Tischen, viele haben selber was mitgebracht - von Antipasti bis zum Vino - es wird getafelt aber vor allem - gesungen!!

Denn schnelle Autos sind nur eine Leidenschaft von Luciano. Die andere: Italienische Musik und die Förderung junger Gesangstalente. "Zu mir kann jeder kommen, der glaubt, Talent zu haben - und kann vorsingen", sagt der Mann, der mit seinen vollen, schwarzen Haaren und der muskulösen Figur sicher auch im Italo-Western gute Chancen hätte.

Dass er es ernst meint, merkt man schon beim Betreten der großen Halle.
Nicht weit von einem Ferrari, den Luciano gerade überholt, befindet sich eine kleine Bühne mit Schlagzeug und Orgel-Keyboard. Da stehen Mikrofone, von der Decke hängen E-Gitarren neben Autoreifen, in den Ecken Ersatzteile, Schmierfett-Fässer neben Bühnen-Scheinwerfern. Denn die blitzsaubere Halle, in der man "vom Fußboden essen" könnte, ist zugleich Talentschuppen. Hier proben und singen nach Feierabend und an Wochenenden junge Leute, die an ihre Stimme glauben - oder unter Lucianos Zuspruch lernen, es zu tun. Dabei helfen entsprechende Opern und Karaoke-CDs, Aufnahmen, auf denen der Stimmen-Part weggelassen ist. "Was ich hier tue, macht mir genau so viel Freude, wie einen lahmen Motor wieder in Gang zu bringen", sagt Luciano. "Es liegt mir auch daran, junge Leute von der Strasse wegzubringen, ihnen ein Ziel zu weisen, wenn sie Talent haben!"

Natürlich singt Luciano auch selbst, allein oder mit anderen. Er war mit Frank Zander ("Ich trink' auf Dein Wohl, Marie" )und Bernd Klüver ("Der Junge mit der Mundharmonika") auf Tournee, und mit Gesangspartnerin Sandra hat er letztes Jahr ein neues Album aufgenommen, seine Tochter Laura belegte Anfang 2003 bei einem Wettbewerb in San Remo den vierten Platz.

Als wir Luciano besuchten, probte er gerade mit Mara (einer jungen, freiberuflich tätigen Oratorien-Sopranistin) und Sergio Esposito (42). Dessen Spezialität und Leidenschaft sind Neapolitanische Klassische Lieder: er singt auf italienischen Hochzeiten, in italienischen Restaurants und auf privaten Veranstaltungen.

Alledrei Monate etwa können Lucianos "Entdeckungen" vor geladenem Publikum aus Funk- und Fernsehprominenz ihre Talente unter Beweis stellen. "Wenn jemand gut ist, kann ich bei den Kontakten zur Musikbranche helfen", sagt Luciano.

Die zahllosen Fotos an den Wänden beweisen es. Sie zeigen Luciano nicht nur mit Frank Zander und Bernd Klüver, sondern auch mit Costa Cordalis, mit Carlo von Tiedemann von der TV-"Schaubude" und anderen Vertretern der Musikwelt oder mit Kontakten dazu.

Lucianos Karriere begann als Teenager in einer Ferrari-Niederlassung in Mestre, dem Industriegebiet vor seiner Geburtsstadt Venedig. Dort machte Luciano auch seine Gesellenprüfung. Abends zog er singend und Gitarrespielend durch die Strassen, reiste im Urlaub auch ins Ausland - und blieb in Hamburg hängen. "Wegen Monika", die seine Frau wurde. "Ich arbeitete viele Jahre lang in verschiedenen Werkstätten - als einer der Ersten hier in Hamburg, die italienische Sportwagen reparierten - bis ich mich dann hier im Nedderfeld selbstständig machte." Über seine Arbeit sagt der singende Automechaniker: "Ich liebe meine Arbeit! Einen Vergaser einstellen, oder einen kaputten Motor in Ordnung bringen, das ist für mich wunderschön..."

Zwischen Arbeit und Gesang, nimmt sich Luciano auch noch Zeit für Seminare (z.B. Frauen lernen ihr Auto kennen. Ölwechsel, Reifenwechsel, Reifendruck messen, Kühlwasser prüfen, Innenraum des Fahrzeugs kennenlernen). Wenn Luciano gut drauf ist, gibt es auch Spagetti Bolognese und eine Gesangseinlage.

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