BGH: Wann ist Tonträger-Sampling zulässig?


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer Entscheidung der vergangenen Woche die urheberrechtlichen Aspekte beim elektronischen kopieren („sampling") von Teilen eines fremden Tonträgers näher beleuchtet. Geklagt hatte die Gruppe „Kraftwerk". Sie erhob Ansprüche gegen den Produzenten Moses Pelham, der eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Kraftwerk-Titel „Metall auf Metall" kopiert und für den Titel „Nur mir" der Sängerin Sabrina Setlur verwendet hatte. Kraftwerk hatte auf Unterlassung, Feststellung der Schadenspflicht und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung geklagt.

Das OLG Hamburg hat der Klage in der Berufung stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil nun wieder auf. Das OLG hätte nach Ansicht der Karlsruher Richter im Ergebnis zwar zu Recht ange-nommen, das der Produzent in das Tonträgerherstellerrecht der Gruppe Kraftwerk eingegriffen habe. Denn die Bestimmung des § 85 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) schützt die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers. Da der Tonträgerhersteller diese unternehmerische Leistung für den gesamten Tonträger erbringt, gäbe es keinen Teil des Tonträgers, auf den nicht ein Teil dieses Aufwands entfiele und der daher nicht geschützt wäre. Ein Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers sei deshalb bereits dann gegeben, wenn einem fremden Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden.

Das Berufungsgericht hätte es jedoch - so der BGH weiter - versäumt zu prüfen, ob die Beklagten sich auf das Recht zur freien Benutzung berufen können. Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. Danach könne auch die Benutzung fremder Tonträger ohne Zustimmung des Berechtigten erlaubt sein, wenn das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tonfolge einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen sei.

Eine freie Benutzung sei allerdings in zwei Fällen von vornherein ausgeschlossen:

Ist derjenige, der die auf einem fremden Tonträger aufgezeichneten Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, befähigt und befugt, diese selbst einzuspielen, gäbe es für eine Übernahme der unternehmerischen Leistung des Tonträgerherstellers keine Rechtfertigung. Eine freie Benutzung komme ferner nicht in Betracht, wenn es sich bei der erkennbar dem benutzten Tonträger entnommenen und dem neuen Werk zugrunde gelegten Tonfolge um eine Melodie handelt (§ 24 Abs. 2 UrhG). Das Berufungsgericht wird nun zu prüfen haben, ob die Beklagten sich auf das Recht zur freien Benutzung berufen können.

Bundesgerichtshof Urteil vom 20.11.2008 AZ:IZR 112/06




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Quelle: Der TITELSCHUTZ Anzeiger Nr. 902, Woche 49,11. Dez. 2008

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