Aussagekraft randomisierter Studien im Vergleich zu hochrangiger Outcomes-Forschung



Abstract Hintergrund

Die Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien stellen gegenwärtig die Grundlage für die Beurteilung der Wirksamkeit neuer Therapieverfahren dar. Dieser Studientyp steht in der Evidenzhierarchie wissenschaftlicher Untersuchungen an erster Stelle, gefolgt von kontrollierten nicht randomisierten Studien, Kohortenstudien, Fallkontrollstudien, Querschnittstudien bzw.

Fallberichten und Expertenmeinungen. Das kontrollierte Studiendesign mit gleichen Versorgungsbedingungen und sorgfältiger Verlaufsbeobachtung soll für alle Patienten quasi experimentelle Bedingungen gewährleisten. Die Randomisierung soll ein Confounding verhindern, das heißt die Verzerrung einer scheinbaren beobachteten Beziehung zwischen zwei Faktoren auf Basis einer dritten Variablen (sogenannter Confounder), die mit beiden Faktoren unabhängig verknüpft ist. Die Verblindung soll für Beobachtungsgleichheit sorgen.

Begrenzte Aussagekraft von randomisierten kontrollierten Studien

Trotz Reduktion bzw. der Verhinderung eines Confoundings in randomisierten kontrollierten Studien, weist dieser Studientyp wichtige Charakteristika auf, die sich von der Realität der alltäglichen medizinischen Versorgung unterscheiden:

• Eine randomisierte kontrollierte Studie wird oft bei einer hoch selektierten Gruppe von Patienten durchgeführt, zum Beispiel bei Patienten mit eher hohem Risiko.

• Unter wissenschaftlichen Perspektiven sind möglichst homogene Patientengruppen anzustreben. So sollten die Patienten zur Gewährleistung einer hohen Compliance und erfolgreichen Nachbeobachtung möglichst zuverlässig sein.

• Patienten können die Teilnahme an einer Studie ablehnen oder werden oft gar nicht erst zur Studienteilnahme eingeladen.

• Die Teilnahme eines Studienzentrums beziehungsweise Studienarztes unterliegt bestimmten Selektionsmechanismen wie beispielsweise der bisherigen Studien-und klinischen Erfahrung oder auch pekuniären Anreizen.

• Medizinische Ausschlusskriterien sind zum Beispiel ein erhöhtes Risiko von Nebenwirkungen oder ausgeprägte Komorbidität.

• Randomisierte kontrollierte Studien werden häufig an akademischen oder wissenschaftlich aktiven medizinischen Zentren durchgeführt, sehr viel seltener dagegen in kleineren Kliniken oder ambulanten Versorgungseinrichtungen.

• Die Studien werden in der methodischen und statistischen Konzeption häufig auf „harte" Endpunkte ausgerichtet, während weitere, aus Sicht des Patienten möglicherweise relevantere Beurteilungskriterien wie etwa Nebenwirkungen, Lebensqualität oder Compliance nicht ausreichend beurteilt werden.

• Bei begrenzter Studiendauer ist die Übertragbarkeit auf eine langfristige Versorgung chronisch kranker Patienten fraglich.

• Das klar definierte Therapiekonzept kann von dem eher pragmatischen Vorgehen in der allgemeinen medizinischen Versorgung abweichen.

Vergleich der Studientypen


In mehreren Untersuchungen wurde eine mögliche systematische Diskrepanz zwischen randomisierten Studien und anderen Studientypen überprüft. Eine Studie verglich publizierte Metaanalysen von randomisierten kontrollierten Studien und Beobachtungsstudien mit dem gleichen klinischen Untersuchungsgegenstand. Bei fünf untersuchten klinischen Fragestellungen und insgesamt neun evaluierten Studien war das durchschnittliche Ergebnis der Beobachtungsstudien sehr ähnlich zu dem der randomisierten kontrollierten Studien.

In einer weiteren Untersuchung wurden insgesamt 136 Studien zu 19 verschiedenen Therapien analysiert. In den meisten Fällen waren die Therapieerfolge der Beobachtungsstudien ähnlich zu denen von randomisierten kontrollierten Studien. Die konventionelle Evidenzhierarchie scheint zumindest bei den hier untersuchten Fragestellungen nicht zuzutreffen.

Goldstandard allein reicht nicht aus


Die umfassende Beurteilung einer medizinischen Strategie setzt Untersuchungen auf drei Ebenen voraus: die sich gegenseitig ergänzen. Während die randomisierte kontrollierte Studie als Methode der Wahl für die Etablierung eines neuen Therapieprinzips gilt, sollte die Beurteilung hinsichtlich der Relevanz in der medizinischen Routineversorgung zusätzliche Studien der Versorgungsforschung miteinbeziehen. Hierzu ist die Klärung notwendig, was mit Wirksamkeit beziehungsweise Effektivität in Bezug auf die jeweilige Erkrankung gemeint ist. Sind es eher harte Endpunkte oder stehen zusätzliche patientenrelevante beziehungsweise praxisrelevante Endpunkte im Vordergrund wie Lebensqualität, Nebenwirkungen oder Compliance?

Besonders aussagekräftig ist die parallele Durchführung von verschiedenen Studientypen zu einer vergleichbaren Fragestellung. So werden heute vermehrt randomisierte kontrollierte Studien und ergänzende Beobachtungsstudien durchgeführt. Die Vorteile dieser Vorgehensweise sind offensichtlich: Auf Basis der randomisierten kontrollierten Studie lässt sich in der Regel beurteilen, ob ein Therapieprinzip überhaupt wirksam ist. Auf Basis der Beobachtungsstudien lässt sich ableiten, welcher Nutzen in der Versorgungsrealität zu erreichen ist. Ferner erlaubt dieses Vorgehen zusätzliche gesundheitsökonomische Analysen zur Beurteilung der Kosten-Nutzen-Relation unter den Bedingungen des jeweiligen Gesundheitssystems.

Schlussfolgerung

Um Therapiestandards in der allgemeinen medizinischen Routineversorgung zu etablieren oder weiterzuentwickeln, reichen die Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien allein nicht aus. Notwendig sind ergänzende Studien der Versorgungsforschung.

Kontakt:

Weleda AG
Corporate Medical
Möhlerstr. 3
73525 Schwäbisch Gmünd

Internet: www.weleda.de


Für Sie entdeckt und zusammengestellt durch EPS-Schäffler / Körner / M. v. Buenau

Text: S. N. Willich
Fotos: © EPS-Schäffler / Weleda AG / Verein für Krebsforschung
Quelle: Weleda AG

Rückfragen bitte an eps-schaeffler(at)gmx.de

Bitte beachten Sie, das sämtliche Photos und Texte dem Urheberrecht unterliegen und nicht für Veröffentlichungen verwendet werden dürfen, Mißbrauch wird daher strafrechtlich verfolgt.
Alle Orts-, Zeit-, und Preisangaben sind ohne Gewähr.

Layout und Gestaltung: Schefisch 10.04.2008