Rede des Vorstandsvorsitzenden Volks und Raiffeisenbank eG Wismar Uwe Gutzmann
Ansprache anlässlich des Jahresempfangs der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Mecklenburg Vorpommern und Schleswig-Holstein am 28.02.2012

Präsidentin Sailer-Schuster
Vorstandsvorsitzenden VB und RB eG Wismar Uwe Gutzmann
Vize-Präsidentin Sabine Lautenschläger

 

Sehr geehrte Frau Sailer-Schuster,
sehr geehrte Frau Lautenschläger,
sehr geehrte Damen und Herren,

der Jahresempfang der Deutschen Bundesbank ist immer wieder eine gute Gelegenheit mit unserer Bundesbank aber auch untereinander bereichsübergreifend ins Gespräch zu kommen, Gedanken auszutauschen, Meinungen auszutauschen. Hierfür und für die freundliche Einladung sei Ihnen Frau Sailer-Schuster herzlichen Dank gesagt. Ihr Jahresempfang hat sich als gute Tradition erwiesen. Wir als Finanzbranche stehen seit geraumer Zeit im Fokus der Öffentlichkeit. Unser Image ist auf einen Tiefpunkt angelangt. Von Vertrauen der Öffentlichkeit den Banken gegenüber kann derzeit kaum die Rede sein - und das war doch einmal ganz anders. Was hat sich also getan in den letzten 20 Jahren? Im Zuge der Globalisierung konnte die Finanzbranche wachsen. Es entstanden und entwickelten sich neue Geschäftsmodelle. Arbeitsplätze wurden geschaffen, aber auch vielfältige Finanzinnovationen. Die weitere globale Entwicklung sollte durch angebliche Hemmnisse nicht behindert werden. Deregulierung hieß viele Jahre lang das Schlagwort.


Seit dem Jahr 2007 begleitet uns ein neues Schlagwort: „Krise". Es begann mit der so genannten „Immobilien-Krise", von der wir zunächst dachten, dass sie sich auf die Vereinigten Staaten von Amerika beschränkt. Aber weit gefehlt! Aus der Immobilienkrise wurde eine „Banken-Krise", hieraus entwickelte sich eine „Wirtschafts-Krise" und seit 2-3 Jahren sprechen wir von der „Euro-Krise" oder besser gesagt von der „Staatsschulden-Krise", insbesondere im EU-Bereich. Und in all diesen Krisen stehen die Banken aus Sicht weiter Teile der Bevölkerung ständig im Mittelpunkt. Es besteht in der Öffentlichkeit das Gefühl, dass angesichts ungehemmter Spekulationen, nicht verständlicher und undurchsichtiger Finanzprodukte, überhöhter Boni-Zahlungen und auch angesichts vielerorts anzutreffender, ausschließlich auf Renditesteigerung fixierter Geschäftsstrategien die moralischen Maßstäbe abhanden gekommen seien. Der Finanzsektor habe sich tendenziell von seiner ursprünglichen Aufgabe, nämlich eine stabile Finanzierung der so genannten Realwirtschaft zu gewährleisten, entfernt. Es würden stattdessen Geschäfte getätigt, die zur Verstärkung und Konzentration von Risiken führten, die dann letztendlich vom Finanzsektor selbst ausgehen würden. Es bleibt festzustellen, dass das Vertrauen der Gesellschaft in unsere Rolle als Diener der Realwirtschaft abhanden gekommen ist. Und dabei leben wir ursprünglich doch vom Vertrauen unserer Kunden. Erschwerend kommt hinzu, dass Banken untereinander sich auch nicht mehr vertrauen. "Kredit" heißt "Vertrauen", Vertrauen als Grundlage unseres Geschäftes – dies ist in den letzten Jahren in „schwere See" geraten.


Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle, jeder Sektor und jedes einzelne Institut sollten dazu beitragen Transparenz und einen gesellschaftlichen Konsens über die Rolle der Banken herzustellen. Hierzu ist es erforderlich, dass die Teilnehmer des Finanzsektors manch Entwicklung, manches Geschäftsmodell und auch manche Geschäftsstrategie kritisch hinterfragen mit dem Ziel das verloren gegangene Vertrauen der Gesellschaft wieder herzustellen.


Der Weg der Deregulierung war in Teilen sicher überzogen. Wir werden uns angesichts der vielfältigen staatlichen Stützungsmaßnahmen neue Regulierungsmaßnahmen gefallen lassen müssen. Grundlage der Regulierungsmaßnahmen sollte neben Begrenzung und Beherrschbarkeit der Risiken auch die Frage nach den Werten und den Aufgaben der Banken sein. Wenn hierüber Konsens besteht, dürften die Ziele der Regulierung und vor allem unsere Rolle in der Öffentlichkeit auch wieder verständlicher und akzeptabler werden. Regulierungsmaßnahmen müssen darüber hinaus für die Beteiligten – also für uns Banken- auch immer angemessen und zeitlich als auch tatsächlich umsetzbar sein. Und: Neben den Zielen, die damit verfolgt werden, dürfen die Nebenwirkungen nicht aus den Augen gelassen werden.


Im deutschen Bankensektor haben wir es mit dem so genannten "Drei-Säulen-Modell" zu tun: Die öffentlichen Banken, die Privatbanken und die Genossenschaftsbanken. Es gab eine Zeit in der insbesondere die kleineren, die regional verankerten Institute im Fokus standen. Sie wurden teilweise dafür verantwortlich gemacht, dass in Deutschland keine ausreichend großen internationale "Champions" entstehen konnten. Sie wurden dafür verantwortlich gemacht, dass die Gewinnmargen in Deutschland zu gering seien. Sie würden im Zuge der Globalisierung die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands behindern.


Sehr geehrte Damen und Herren, heute müssen wir deutlich sehen, dass gerade die beiden regional verankerten Verbünde, die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken in den Jahren der Krise die Konjunktur und die Wirtschaft in Deutschland gestützt haben und dem Staat nicht zur Last gefallen sind. Wir haben in Deutschland eine eher kleinteilige und mittelständisch ausgerichtete Wirtschaft. Aus diesem Grunde ist es richtig und zielführend - und hat sich in den letzten Jahren erneut deutlich bewiesen - dass die Struktur der Bankenbranche mit ihren 3 Säulen der Struktur der deutschen Wirtschaft folgt, und dies nicht zum Nachteil der deutschen mittelständischen Wirtschaft, ganz im Gegenteil. Die Finanzmarkt- und die Staatsschuldenkrise werden unser Bankgeschäft und die Strukturen verändern. Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand. Das kundenbezogene Geschäft rückt wieder in den Mittelpunkt. Unser Sektor wird Beratung und Produkte wieder verstärkt auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden und der Wirtschaft ausrichten und hierbei wettbewerbsfähige Konditionen bieten müssen. Belange des Verbraucherschutzes werden zu berücksichtigen sein. Kunde als auch Bank müssen von den getätigten Geschäften beiderseits profitieren.


NNeben der Weiterentwicklung bestehender und der Suche nach neuen Geschäftsmodellen müssen wir Banken nach der Finanzmarktkrise mit deutlich steigenden Eigenkapitalanforderungen und Liquiditätsregeln rechnen. Basel III verfolgt das Ziel einer erhöhten Eigenkapitalunterlegung für alle Risiken verbunden mit einer besseren Kernkapitalqualität. Die Definition der Eigenmittel führt beim anrechnungsfähigen Ergänzungskapital zu Reduzierungen, hingegen werden die EK-Mindestquoten angehoben. Diese Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise scheinen unbestritten zu sein, allerdings sollten der Umsetzbarkeit und den Nebenwirkungen stärkere Beachtung geschenkt werden. Kredite werden im Vergleich zu Handelsgeschäften hinsichtlich der Eigenkapitalunterlegung immer noch benachteiligt und insbesondere die Mittelstandskredite überproportional hoch belastet. Es besteht die Gefahr einer Verteuerung und einer Verknappung dieser Kredite. Hier muss aus meiner Sicht nachgebessert werden, denn nicht die Mittelstandskredite haben uns in die Krise geführt.


Zu Basel III möchte ich folgende Forderungen aufzeigen:

  • Anpassung der Risikogewichtung für Mittelstandskredite als auch der Retailgrenze.
  • Die Einführung zum 01.01.2013 sollte überprüft werden bzw. ausreichende Übergangsfristen eingeräumt werden.
  • Sicherstellung, dass Basel III gleichzeitig und gleicher Maßen in allen Ländern also auch in den USA umgesetzt wird.
  • Besonderheiten der Finanzverbünde, wie z. B. deren Beteiligungen und Gruppenaufbau müssen eine ausgewogenere Berücksichtigung finden.

In der Finanzmarktkrise hat sich gezeigt, dass sich Risiken auch unter Liquiditätsgesichtspunkten ergeben können. In soweit ist es nachvollziehbar, dass neue Liquiditätsvorschriften eingeführt werden sollen. Aber auch hier steht die Forderung nach Berücksichtigung der in Deutschland gegebenen Bankenstruktur. Die regionalen Finanzverbünde haben in der Krise keine Risiken aus Liquiditätsgründen erleiden müssen, da sie sich im Wesentlichen aus breit gestreuten Kundengeldern refinanzieren. Risiken haben sich bei den über Kapitalmärkte sich refinanzierenden großen und systemrelevanten Banken ergeben. Diese Erkenntnisse aus den Besonderheiten des deutschen Bankensystems sollten sich in den angestrebten neuen Regeln wiederfinden. Das Thema Fristentransformation ist unter demselben Gesichtspunkt zu sehen. Wir haben in Deutschland eine Festzinskultur, die zu einer sicheren und planbaren Finanzierung der deutschen mittelständischen Wirtschaft als auch der sogenannten "Häuslebauer" führt. Diese Festzinskultur gilt es durch neue Vorschriften nicht zu gefährden.


Lassen Sie mich noch zwei kurze Anmerkungen zum Thema "EBA" und zur sogenannten "Finanztransaktionssteuer" sagen. Die EBA muss bei der Erarbeitung von Standards die Auswirkungen bei den einzelnen Instituten und Institutsgruppen berücksichtigen. Auch hier sollte der Grundsatz der doppelten Proportionalität zu Grunde gelegt werden. An dieser Stelle wird die Deutsche Bundesbank gebeten die Strukturen des deutschen Bankensektors und deren Anforderungen immer wieder deutlich zu machen, in die Diskussionen mit einzubringen und sich für die sich hieraus ergebenen Belange einzusetzen.


Zum Thema Finanztransaktionssteuer gibt es vielfältige Pro- und Kontrapunkte. Eines dürfen wir bei aller Argumentation aber wohl nicht verkennen: Es ist den Menschen und der Gesellschaft schwer verständlich zu machen, dass alles mögliche, angefangen bei den Lebensmitteln, den Verbrauchsgütern, den Versicherungsprodukten etc. mit entsprechenden Steuern belegt ist, nur Finanzprodukte nicht. Die Forderung einer gleichzeitigen weltweiten Einführung als Voraussetzung ist verständlich - aber möglicherweise nicht durchzuhalten. Für den Fall, dass in Europa und in Deutschland eine derartige Steuer eingeführt wird, muss sichergestellt werden, dass der sogenannte Normalsparer, z. B. bei den staatlich geförderten Riesterprodukten, nicht belastet wird.


Sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend einen Hinweis, den Sie möglicher Weise als Eigenwerbung verstehen, den ich aber gerne als Beitrag zur Wertediskussion und zur Diskussion über die Aufgaben und Ziele der Bankenwirtschaft verstanden wissen möchte. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2012 zum „Internationalen Jahr der Genossenschaften" ausgerufen. Der Generalsekretär Ban Ki-moon führte in der Begründung aus, dass Genossenschaften vorleben, wie sich Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung verbinden lassen. Genossenschaften können helfen eine bessere Welt zu schaffen.


Eine Wertediskussion, eine Diskussion über Sinn und Ziele von Wirtschaften wird uns in Zukunft sicher weiter begleiten und wir als Finanzsektor müssen uns dieser Diskussion aktiv stellen. Vielleicht lässt sich auch dadurch verlorenes Vertrauen wieder gewinnen.


Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind heute Gast der Deutschen Bundesbank. Ich möchte an dieser Stelle für die Zusammenarbeit in der Vergangenheit und für die Interessenvertretung der deutschen Bankenbranche in den vielen verschiedenen Gremien herzlichen Dank sagen. Ich verbinde diesen Dank mit der Hoffnung, dass die Deutsche Bundesbank weiterhin die Struktur der deutschen Bankenwirtschaft im Auge hat und bei der Verteidigung unserer berechtigten Interessen uns zur Seite steht.





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Textzusammenstellung: © Ermasch - Presse - Service, Schäffler, Jürgen Steinbach
Fotos: © EPS-Schäffler, Jürgen Steinbach
Quelle: Volks und Raiffeisenbank eG Wismar

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