Wirbelbruch: Zeit zu handeln!
Viele Menschen kennen die Volkskrankheit Osteoporose, die in der Öffentlichkeit seit langem thematisiert wird. Doch mit der häufigsten Folge der Osteoporose, dem Wirbelkörper- oder auch Wirbelbruch, verbinden die wenigsten eine klare Vorstellung.
Bei einem Wirbelbruch sackt ein Wirbelkörper in sich zusammen (Sinterung).
Die Ursache ist meistens, dass der Knochen aufgrund von Osteoporose stark an Substanz verloren hat. Schon eine kleine Belastung, zum Beispiel eine Drehung des Rückens oder das Anheben einer Einkaufstüte, kann einen osteoporose-bedingten Wirbelbruch auslösen.
Die Folgen von Wirbelbrüchen können gravierend sein:
starke, chronische Schmerzen, Verlust der Mobilität und Selbständigkeit, Pflegebedürftigkeit und sogar ein vorzeitiger Tod. Schon jetzt sind Millionen Menschen in Deutschland von Wirbelbruch betroffen, und die Zahl wird in den nächsten Jahren immer weiter zunehmen.
Das Aktionsbündnis "Jetzt gerade! Auf den Wirbel kommt es an" hat sich gegründet, um zu informieren und ein Umdenken in der Gesellschaft anzustoßen. Wirbelbruch ist ein weit unterschätztes Problem. In Prävention, Diagnose und Therapie gibt es vieles zu verbessern. Jetzt gerade – es ist Zeit zu handeln!
Die Fakten
Wirbelbruch…
…ist keine unabänderliche Alterserscheinung
Viele Menschen glauben – sofern ihnen der Wirbelbruch überhaupt bekannt ist –, es handele sich um eine unvermeidbare Folge des Alterns ("Witwenbuckel"). Diese längst überholte Ansicht stammt aus vergangenen Zeiten, als es gegen Wirbelbruch oder seine häufigste Ursache, die Osteoporose, keine wirksame Therapie gab. Ein Umdenken in der Öffentlichkeit ist deshalb dringend erforderlich. Auch Herzinfarkte oder Gelenkverschleiß treten mit steigendem Alter gehäuft auf, trotzdem wird niemand diese Krankheiten als unabänderliche Alterserscheinungen akzeptieren.
Durch die demographische Entwicklung wird die Gruppe der älteren Menschen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer größer werden. Ältere Menschen sind heute aktiv und haben einen Anspruch auf optimale Behandlung, die ihnen Lebensqualität bis ins hohe Alter ermöglicht. Die körperlichen Einschränkungen durch einen Wirbelbruch sind nicht naturgegeben! Auch Ärzte müssen ihre Patienten stärker in diese Richtung beraten.
… hat gravierende Folgen
Ein Wirbelbruch ist oft mit plötzlichen, heftigen Schmerzen verbunden. In vielen Fällen werden die Schmerzen chronisch und machen es den Betroffenen immer schwerer, ihren Alltag zu bewältigen, sich zu bewegen und am sozialen Leben teilzunehmen. Viele Betroffene leiden deshalb zusätzlich unter Depressionen. Es entsteht ein Teufelskreis aus Schmerz, Bewegungsarmut, sozialem Rückzug und Depression, der die Lebensqualität und den allgemeinen Gesundheitszustand immer mehr verschlechtert .
Hinzu kommt, dass sich – vor allem nach mehrfachen Frakturen – die Wirbelsäule nach vorne krümmt. Diese Krümmung verengt den Brustkorb und kann die Atmung behindern, so dass Betroffene häufiger an Bronchitis und Lungenentzündungen erkranken.
Letztlich verlieren viele Wirbelbruch-Patienten ihre Selbständigkeit und werden pflegebedürftig. Das verursacht nicht nur vieltausendfaches menschliches Leid, bis hin zum vorzeitigen Tod , sondern auch hohe Kosten für das Gesundheitssystem.
...ist eine Volks-, und keine reine Frauenkrankheit
Wirbelbruch ist kein Randphänomen, sondern in seiner Häufigkeit mit anderen Zivilisationskrankeiten vergleichbar. Experten gehen davon aus, dass vier von zehn Frauen, die heute 50 Jahre alt sind, in ihrem weiteren Leben einen Wirbelbruch erleiden werden. Fast 230.000 Menschen zwischen 50 und 79 Jahren erleiden jedes Jahr in Deutschland einen Wirbelbruch .
(Zum Vergleich: Die Zahl der Herzinfarkte liegt bei 280.000 pro Jahr.) Etwa 1,8 Millionen Menschen dieser Altersgruppe müssen bereits mit einem oder mehreren Wirbelbrüchen leben.
Mit dem demographischen Wandel wird die Zahl der Wirbelbrüche noch drastisch zunehmen. Das Europäische Parlament geht davon aus, dass bis 2050 doppelt so viele Menschen wie heute an Osteoporose erkranken werden. Vergleichbar dürfte die Zahl der osteoporotischen Wirbelkörperbrüche ansteigen.
Osteoporose und Wirbelbrüche sind – entgegen einem verbreiteten Vorurteil – keine reine Frauenkrankheit. Männer sind in starkem Maße betroffen: Auf sie entfallen über ein Drittel aller Wirbelbrüche .
… wird viel zu oft übersehen
Osteopose-bedingte Wirbelfrakturen werden in vielen Fällen falsch diagnostiziert. Zwei Drittel der Wirbelbrüche, so schätzen Experten , werden von Ärzten nicht richtig erkannt, sondern als Bandscheibenleiden, unspezifischer Rückenschmerz oder Alterserscheinung eingestuft und entsprechend unzureichend behandelt.
Dadurch verschärft sich das Problem und die Beschwerden werden chronisch.
Nach einem Wirbelbruch ist die Zeit der entscheidende Faktor:
Je früher der Bruch behandelt wird, desto größer sind die Chancen, irreparable Folgen zu verhindern. Ist der eingefallene Wirbel erst einmal in der falschen Stellung zusammengewachsen, kann er nur noch mit erheblichen Risiken behandelt werden.
Die Aktionsfelder
Die wesentlichen vier Aktionsfelder im Kampf gegen den Wirbelbruch sind nach unserer Auffassung: mehr Aufklärung, bessere Prävention, zuverlässige Diagnose und gezielte Therapie. Die Punkte im Einzelnen:
Aufklärung
Wirbelbruch ist keine Bagatelle und keine unabänderliche Folge des Alterns.
Wenn es zum Bruch kommt, stehen erfolgreiche und bewährte Therapien zur Verfügung, um Einbußen an Lebensqualität oder eine Pflegebedürftigkeit zu verhindern.
Die Symptome von Wirbelbruch werden oft fälschlicherweise als diffuser Rückenschmerz oder Bandscheibenleiden wahrgenommen und zu spät diagnostiziert. Patienten sollten lernen, früh einen Wirbelbruch in Betracht zu ziehen.
Wirbelbruch ist keine Frauenkrankheit – Männer sind ebenfalls stark betroffen. Deshalb ist es wichtig, Männer gezielt in alle Aufklärungsmaßnahmen einzubeziehen.
Prävention
Alle Menschen über 50 sollten die wichtigsten Maßnahmen der Osteoporose-Prävention kennen, denn sie schützt wirkungsvoll vor späteren Wirbelkörperbrüchen.
Menschen ab 50, insbesondere Frauen, sollten ihre Osteoporosegefährdung vom Arzt feststellen lassen und kennen.
Regelmäßige Bewegung hält Knochen länger stabil. Schon regelmäßiges Spazierengehen und Wassergymnastik fördern die Knochenfestigkeit. Ein deutlicher Effekt stellt sich jedoch erst durch die so genannte dynamische Bewegung beim gezielten Kraft- und Koordinationstraining ein, sowie durch Wandern, Walking oder leichtes Joggen.
Untergewicht erhöht das Osteoporose-Risko und sollte vermieden werden.
Die Ernährung sollte viel Kalzium enthalten, denn es erhöht die Knochenfestigkeit. Kalziumreich sind vor allem Milchprodukte und kalziumhaltiges Mineralwasser. Auch Vitamin D ist wichtig zum Schutz vor Osteoporose. Es ist reichlich enthalten in Fisch, Eiern, Milch und Butter.
Die menschliche Haut kann Vitamin D mithilfe von Sonnenlicht selbst bilden. Deshalb sollten gerade ältere Menschen jeden Tag mindestens eine halbe Stunde draußen verbringen.
In bestimmten Fällen ist die Einnahme von Kalzium- und Vitamin-D-Präparaten sinnvoll.
Bestimmte Medikamente können unter Umständen Osteoporose und/oder Stürze begünstigen. Deshalb sollte man zusammen mit dem Arzt Einnahme und Dosis folgender Medikamente überprüfen: Antidepressiva, Glitazone, kortisonartige Medikamente in Tablettenform, Medikamente, die einen Blutdruckabfall im Stehen verursachen können, Mittel gegen Epilepsie, Psychopharmaka, Schilddrüsen-Hormone, Schlafmittel, spezielle Mittel gegen Magensäure.
Diagnose
Wirbelbruchgefährdete Menschen sollen die möglichen Symptome kennen (plötzlicher Schmerz, verringerte Körpergröße, unter Umständen ein "Knack")
Sie sollen wissen, dass der Zeitfaktor entscheidend ist. Je früher ein Wirbelbruch behandelt wird, desto größer sind die Chancen, irreparable Folgen zu verhindern.
Patienten sollten bei ihrem Arzt darauf dringen, dass die Frist der aktualisierten DVO-Leitlinie zur Osteoporose eingehalten wird. Diese sieht vor, dass nach maximal drei Wochen (nicht erst nach drei Monaten wie in der veralteten Leitlinie) bei bleibenden Beschwerden mittels eines bildgebenden Verfahrens der Wirbelbruch ausgeschlossen oder diagnostiziert wird.
Therapie
Wir vertreten das Leitbild des mündigen Patienten, der seinem Arzt gleichberechtigt gegenübertritt. Patienten müssen über verschiedene Therapieformen Bescheid wissen – nur so können sie eine echte Entscheidung treffen. Der Patient sollte innerhalb der ersten drei Wochen nach einem frischen Bruch alle Therapie-Optionen kennen, um ihre Vorteile und Risiken mit seinem Arzt abwägen zu können.
Die Wahl der Behandlungsmethode sollte nach vollständiger Diagnostik, strenger Indikationsstellung und auf Grundlage des aktuellen Forschungsstands getroffen werden.
Bei der Behandlung kommen konservative und operative Verfahren zum Einsatz. Zu den konservativen gehören unter anderem medikamentöse Therapie, Schmerzmedikation und Physiotherapie, zu den operativen beispielsweise die Kyphoplastie. Die Ballon-Kyphoplastie ist nachweislich und langfristig erfolgreich, wie eine wissenschaftliche Studie in "The Lancet" vom Frühjahr 2009 belegt. Es handelt sich um ein minimal-invasives Verfahren, das die Schmerzen des Patienten sofort lindert und den Kyphosewinkel korrigieren, also den Wirbel wieder aufrichten kann .
Auch verbessert die Methode nachweislich die Mobilität der Patienten, da sie durch mehr beschwerdefreie Tage im täglichen Leben weniger eingeschränkt sind.
Nachwort
Der Wirbelbruch ist in Deutschland viel zu wenig bekannt und wird in seiner Häufigkeit und in seinen Folgen dramatisch unterschätzt. Mit diesem Memorandum appellieren wir an alle Akteure des Gesundheitswesens aus Ärzteschaft, Krankenkassen, Verbänden und Politik, unsere Anliegen zu unterstützen.
Kontakt:
Bundeshilfeverband für Osteoporose e.V. (BfO)
www.osteoporose-deutschland.de